GEW, Berufsverbote, Unvereinbarkeitsbeschlüsse
& nach 40 Jahren
dazu ein erfreulicher Beschluss
des GEW-Bundesvorstandes

Hartmut Barth-Engelbart

Manfred H.W. Köhler

 

Hoffnung nach 40 Jahren

 

Skepsis überwog, als wir uns am 17. März mit einigen anderen interessierten  Gewerkschaftsmitgliedern auf dem Frankfurter Hauptbahnhof trafen, um mit den Zug nach Göttingen zu fahren, wo eine Tagung zum 40. Jahrestag des Radikalenerlass, so der offizielle Titel, angesetzt war. Diese Skepsis steigerte sich noch, als erste Informationen bekannt wurden, dass der am Vorabend tagende Hauptvorstand es abgelehnt hatte, eine in der Gewerkschaft debattierte Forderung aufzugreifen und sich bei den berufsverbotenen Kollegen zu entschuldigen, wenn nicht gar sie zu rehabilitieren. Würden wir wieder an einer Veranstaltung mit Befriedungscharakter teilnehmen?

 

Die Veranstaltung fand in der Aula der Geschwister-Scholl-Gesamtschule statt und war, was den äußeren Ablauf anging, von der Schulleitung, einigen Lehrern, Schülern und Eltern gut vorbereitet worden. Der Schul-Name sollte ein gutes Omen sein. Denn schon bald zeigte sich, dass von einer Beschwichtigungsaktion nicht die Rede sein konnte: nach einer Lesung von Szenen aus Anhörungsverfahren, die dem Verbot meist vorausgingen, und einem Bericht des Bremerhavener GEW-Vorsitzenden Frank Behrens über die politischen Verfolgungsmaßnahmen gegen ihn, traten nacheinander eine Reihe von direkt Betroffenen (eine Auswahl aus nahezu 200 Anwesenden) ans Mikrofon und schilderten ihre Fälle, die jeweils anders gestrickt waren. Einige Kollegen schilderten die wissenschaftlichen Prinzipien Hohn sprechende Beurteilungen von Prüfungsarbeiten (zur 2. Staatsprüfung), andere den zutiefst undemokratischen Charakter der erlebten Anhörungsverfahren und/oder die massive Behinderung gewerkschaftlicher und politischer Arbeit seitens der staatlichen Bürokratie. Das war für weitere Kollegen zu einseitig, die die Verantwortung der eigenen Gewerkschaft einbezogen wissen wollten. Für sie hatte die GEW-Führung die Verbote nicht nur nicht bekämpft, sondern massiv unterstützt, indem sie die Unvereinbarkeitsbeschlüsse eingeführt, damit den Kollegen die Rechtshilfe in den anhängigen Verfahren vorenthalten oder entzogen, wenn sie nicht gar manche Berufsverbote – explizit so gewollt – in Gang gesetzt und direkt vorbereitet hatten. Schließlich bemühten sich einige Betroffene noch, Berufsverbote und Unvereinbarkeitsbeschlüsse politisch einzuordnen: als eine breit angelegte Aktion zur Unterdrückung antikapitalistischer und alternativer demokratischer Vorstellungen mit dem Bestreben, den öffentlichen Dienst mal wieder zu säubern, durchaus gedacht mit Langzeitwirkung, als Einschüchterung für nachfolgende Generationen.

 

Mit der Mittagspause, in der ein von der Schule und zeitsparend in einem Nebenraum bereitgestellter Imbiss eingenommen werden konnte, hatte sich unter uns Angereisten die Stimmung schon ein bisschen aufgebessert. Insbesondere die kämpferische, die Kritik an früheren Gewerkschaftsführungen nicht aussparende Stimmung hatte ihre positive Wirkung getan. Das sollte sich nach der Pause noch steigern. Denn bei der Rückkehr in den Sitzungssaal lagen auf den Stühlen Abzüge der Resolution, die der GEW-Hauptvorstand in der Zwischenzeit gefasst hatte.

 

Doch bevor man sich näher mit der Resolution beschäftigen konnte, hielt Prof. Wolfgang Wippermann von der FU Berlin ein Referat über die Geschichte der Berufsverbote im Kontext der verfassungsgeschichtlichen Entwicklung der Bundesrepublik. Er wies nach, dass das Grundgesetz ein Kind der Totalitarismustheorie, der Gleichsetzung von Nationalsozialismus und Stalinismus und damit schon die falschen Lehren aus dem Scheitern der Weimarer Republik gezogen habe. Erst recht gelte das für die Umsetzung der Prinzipien der Verfassung auf der Ebene der Justiz und der Staatsbürokratie, auf denen mit Begriffen wie Extremismus und Radikalismus operiert worden sei, Begriffe, die selbst die in der Totalitarismus-Theorie fussende Verfassung gar nicht kennt.

 

Text der Resolution des Hauptvorstandes

 

 

Sodann stellte der GEW-Vorsitzende Thöne die schon angesprochene Resolution vor. Sie bewertet den Radikalenerlass als eine falsche politische und rechtsstaatliche Entscheidung, die sich gegen Alternativen unseres kapitalistischen Gesellschaftssystems richtete, fordert die Rehabilitation der Berufsverbotsopfer und entschuldigt sich bei ihnen für die Unvereinbarkeitsbeschlüsse. Der Vorsitzende zeigte sich, auch im Namen anderer Vorstandsmitglieder, tief betroffen von den am Vormittag zu Wort gekommenen Radikalenerlass-Opfern, insbesondere von der direkten Verflechtung der GEW über die Unvereinbarkeitsbeschlüsse in die Berufsverbote: das Ausmaß dieses Zusammenwirkens sei ihm bisher nicht bewusst gewesen. Die Tagung habe ihm bewiesen, dass eine solche Veranstaltung bereits überfällig gewesen sei. Andererseits stehe man bei der Umsetzung des Beschlusses erst am Anfang. Man brauche noch viel Zeit und Arbeit, um diesen Beschluss Wirklichkeit werden zu lassen, um die negativen Folgen für die Betroffenen aufzuheben und die Schäden für die gewerkschaftliche Arbeit zu beseitigen. Er gab auch zu, dass die vorliegende Resolution nach den Berichten der Betroffenen und dem Referat Wippermanns überholungsbedürftig sei, ohne das allerdings näher auszuführen.

 

Dies war dann Gegenstand des Gesprächs, das wir auf der Rückreise führten. Wir waren uns einig, dass der Bezeichnung der Berufsverbote (gerade nach dem Referat von Wippermann) als verfassungswidrig daneben greift und etwa durch „demokratiefeindlich“ ersetzt werden muss. Es reicht nicht hin, die Berufsverbote als Akte der Gesinnungsschnüffelei zu bezeichnen, denn sie sind sehr viel mehr: sie haben in vielen Fällen zu erheblichen Beeinträchtigung von Biographien geführt (psychische Störungen, fehlende Berufsperspektiven, drohende Alterarmut, um nur einige zu nennen). Von daher ist ebenso eine moralische wie finanzielle Rehabilitation der Betroffenen nötig. Der GEW insgesamt bleibt die Aufgabe, die politischen Konsequenzen dieser ihrer „unbewältigten Vergangenheit“ (so Wippermann) durch eine umfassende Diskussion in den eigenen Reihen in den Griff zu bekommen. Beim Auseinandergehen in Frankfurt hatten wir das Gefühl, dass wir gut daran getan hatten, an dem Plan, die Tagung In Göttingen zu besuchen, trotz der anfänglichen Skepsis festgehalten zu haben.

So weit der Artikel, der in der aktuellen virtuellen HLZ-Mai-Ausgabe so schlecht zu finden ist . Hier folgt der Beschluss des GEW-HV vom 16.03. in Göttingen, der am 17.03. noch erweitert wurde unter dem Eindruck der Berichte der Betroffenen:

Resolution des GEW-Hauptvorstands zum Radikalenerlass

Die GEW bewertet den „Radikalenerlass“ und die darauf beruhende Politik der Berufsverbote als eine politische und rechtsstaatlich falsche Entscheidung, die eine verhängnisvolle gesellschaftliche Entwicklung in Gang gesetzt hat.Die Politik der Berufsverbote richtete sich gegen gesellschaftliche Alternativen zum kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystem und versuchte, diese zu kriminalisieren. Die Politik der Berufsverbote führte zu einer Gesinnungsschnüffelei, die Millionen Menschen betraf und verbreitete ein Klima der politischen Einschüchterung. Die Politik der Berufsverbote war und ist verfassungswidrig.

Die GEW fordert eine umfassende Rehabilitierung der vom sogenannten „Radikalenerlass“ vom 28. Januar 1972 und insbesondere der infolgedessen von Berufsverboten betroffenen Menschen durch Bund, Länder und Kommunen.

Die GEW erwartet von der Politik, diese Fehlentscheidung einzugestehen und Vorschläge für Rehabilitationsmaßnahmen und Entschädigungsleistungen vorzulegen.

Die GEW unterstützt die Forderung, die auf dem Radikalenerlass begründeten Akten dem Verfassungsschutz zu entziehen und sie an das Bundesarchiv weiterzuleiten, um sie den Betroffenen und der Wissenschaft zugänglich zu machen.

Die GEW fordert die Bundesregierung auf, die sogenannte „Extremismusklausel“ unverzüglich zu streichen. Sie kritisiert, dass verantwortliche politische Kräfte weiterhin den Eindruck zu vermitteln suchen, die „Feinde der Demokratie“ stünden links. In diesem Zusammenhang diente die Berufsverbotepolitik schon immer der Blindheit auf dem rechten Auge.

Die GEW bedauert die sogenannten Unvereinbarkeitsbeschlüsse und bittet die davon Betroffenen um Entschuldigung.

Die GEW verweist in diesem Zusammenhang auf den Beschluss des Gewerkschaftstages von 1980, in dem eine Aufhebung der Unvereinbarkeitsbeschlüsse von 1973 gefordert wird, weil diese „die Glaubwürdigkeit der Gewerkschaften in Frage stellen“ und „selbst Gesinnungsschnüffelei in den eigenen Reihen“ zur Folge hatten. Die GEW hat 1989 den Verweis auf die Unvereinbarkeitsbeschlüsse des DGB in § 8 Abs. 4 ihrer Satzung gestrichen.

Göttingen, 16. März 2012

&&&&&&&&&&&&&&&&&&&&&&&&&&&&&&&&&&&&&&&&&&&&&&&&&&&&&&&& Hier folgen jetzt Lese-Empfehlungen nicht nur für berufsverbotene ver.di- & GEW- & IGM- & IGBAU & IG-BCE & BAHN-Gewerkschafts- und andere DGB-Mitglieder- auch für Nichtmitglieder, Unvereinbarkeitsgeschasste usw…..

Back to the roots: endlich HaBE ich eine Lesung Daheim mit ZORA im Lamboy in der Moschee  2002, so um den 1. Mai – nein es wird kein Gedicht- also im Frühling vor 8 Jahren musste ich ohne Morgen-Cappuccino zur Arbeit fahren. Es war eine traumhafte Reise ins Hanauer Lamboy-Viertel – Kennen Sie nicht ? Sollten Sie aber. Hier wurde nicht nur deutsche Rock-Geschichte geschrieben….. hier weiterlesen: http://www.barth-engelbart.de/?p=1319

“Eine Region steht auf” – Übersetzt heißt das: “Eine Region wird abgewickelt!”  Wie unter rosa-grüner Federführung der Nordosten des größten hessischen Flächenkreises, des Main-Kinzig-Kreises platt gemacht wird wie die ‘neuen’ Ostkolonien. Schlue zu! Licht aus! (dieser Artikel stand auch in der “Gelnhäuser Neuen Zeitung” (GNZ) vom 11.05. 2012)

An diesem Artikel wurde seitens verschiedener Gewerkschafterinnen Kritik geübt, auf die ich im Vorspann des nächsten Artikels eingehe: siehe http://www.barth-engelbart.de/?p=1310
http://www.barth-engelbart.de/?p=1309   Bereits am 27.04. HaBE ich zu dem Schulschließ-ZACH-Zwang einen offenen Brief geschieben: Äußerst schwach, Herr Zach, ein GRÜNER als KaputtSparvogt… Offener Brief des Ex Fraktionsvorsitzenden der GRÜNEN im Main-Kinzig-Kreistag Offener Brief an meinen ehemaligen Parteifreund, Ex-Bürgermeister von Niederdorfelden  und aktuellen Schuldezernenten und Kaputt-Sparvogt des Main Kinizig-Kreises Matthias Zach …Anfang der 80er Jahre sind wir als Grüne vehement für die Erhaltung der kleinen Dorfschulen im Main-Kinzig-Kreis in Ulmbach, Jossgrund, Flörsbachtal, Brachtal, Jossa, Sterbfritz, Sannerz usw …eingetreten und haben dafür Prügel von Oben und viel Zuspruch von Unten …erhalten. …..http://www.barth-engelbart.de/?p=1299

 

 


Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

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