“Ausreden” : Briefe an die Nachgeborenen (I)

Ausreden !

Nein, ich will euch nichts ausreden.
Ich will euch nichts einreden

Ich will mich nicht rausreden.
Ich will endlich ausreden.

(Meine Eltern haben nicht deshalb nichts und Legenden erzählt, damit ich meine eigenen Erfahrungen machen kann, nein, sie haben mir einfach ihre Geschichte verschwiegen. Ich musste sie über Dritte heimlich ausforschen. Erst dann konnte ich daraus lernen.)

Ich fange am besten von hinten an.

Erst als wir auf der Rückreise von der Altlantikküste durch die Region Verdun fahren, ich auf der Rückbank hin- und herrutsche, und vergeblich versuche durch nieselverregnete Autoscheiben klare Sicht auf die Schlachfelder links und rechts der Autobahn zu finden, da erfahre ich, dass am Karfreitag drei deutsche Soldaten ín Afghanistan gefallen sind. Gefallen ? Sie hatten einen Berufsunfall ! Es war ihr Job zu töten ! Und dabei wird man manchmal selbst getötet.  Das ist zynisch ? ! ? Es ist die Wahrheit und die ist zynisch. Hunderttausende, Millionen sind in diesem endlosen Krieg ermordet worden: Zivilisten, Junge, alte Männer, Frauen , Kinder, Greise, Kranke, Hochzeitsgäste, Brautpaare, Trauergemeinden, Schulklassen, … Jugoslawien, Irak, Afghanistan, Somalia, und dann … von Hungertoten noch gar nicht gesprochen!
Zynisch ist das Hinweis-Schild an der Autobahn: “Verdun, Stadt des Friedens”, der Friedhofsruhe vielleicht, aber nicht mal das: wieder , immer noch, schon wieder marschieren deutsche, französische Soldaten in fremde Länder ein.. Verdun nie wieder ? Verdun immer wieder!  Das liegt in Korea, in Polen, in der CSSR, in der UdSSR, in den Niederlanden, in Algerien, am Suezkanal, im Irak , in Jugoslawien, in Spanien und Afghanis-Pakis-Kurdistan, Irak, Iran und Portugal, Verdun liegt überall, wo sie Nelken zertreten und verwelken

Drei Brüder meines Vaters sind hier vor Verdun für die Interessen der Kohle- und Stahlbarone gefallen. Gefallen ? Krepiert im deutsch-französischen Giftgasgemisch, dem der Wechselwind einen Strich durch die
Feldherrenrechnung gemacht hat. Selbst der Stacheldraht, unter dem die deutschen und französischen Soldaten vor oder zurückkriechen mussten, wenn sie zur vermeintlichen Rettung in die Schützengräben wollten. Schützen Gräben ?  Sie sammeln das schwere Giftgas und wer Luft holen will, den erwischt eine Kugel und wer sich duckt, der wird beim Vergasen verschüttet. Noch bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts konnten die Bauern um Verdun ihre felder nicht bestellen, ohne alle drei vier Meter auf Skelette zu stoßen, wenn sie Glück hatten und keine Blindgänger aufpflügten, da lernten Pflüge das Fliegen. Die Bauern haben aufgegeben. Die Schlachtfelder liegen zum Teil bis heute brach.
1963 war ich zu einer Studienfahrt meiner Klasse im Elsass und in Lothringen. Verdun stand auf dem Programm und ich konnte Nächte lang nicht schlafen, weil ich glaubte meine drei Onkel zu treffen. Die an den Wänden der Katakomben unter den Kriegsgräberfeldern aufgestapelten sotierten Gebeine haben mich erschlagen: Tausende von Schädeln, Schienbeinen, Schulterblättern, Becken ….  da habe ich beschlossen, dass es alle meine Onkels sind. Das Stück französischen Stacheldrahts aus den Kruppwerken oder deutschen Stacheldrahts aus fränzösischer Produktion oder deutsch-französischen Stacheldraht aus deutsch-französischer  … habe ich jahrzehntelang aufbewahrt und leider verloren. Nicht verloren habe ich die Bilder der Knochenmauern, die Bilder der Schützengräben …. und die Stille, die die trommelfellzerfetzenden Detonationen körpetklich erfahrbar machte- so unwirklich wie sie mir schien.. …

Eigentlich stand 1963 schon fest, dass ich  zumindest etwas gegen dieses mörderische System unternehmen muss. Die Entscheidung dafür, dass ich als Reserveoffiziersanwärter bei der Bundeswehr den Kriegsdienst verweigern würde, fiel erst mit den genaueren Nachrichten über Vietnam, den Indochina-Krieg und mit dem regierungsoffiziellen und DGB-Führungszertifizierten Slogan, dass unsere Freiheit in Vietnam verteidigt würde:
So wie heute in Afghanistan.

Du kaufst Dir Deine Freiheit als BilligT-Shirt bei H&M und LIDL, damit die kinder und Frauen in Bengladesh weiter zu Verhungerlöhnen Lidl&Co mit Höchstprofiten mästen, dafür fallen unsere Kinder in Afghanistan, dafür töten sie in Afghanistan… ….

Jetzt aber Mal nicht alles so schwarz malen:

bei Forbach kommt doch Freude auf. Da standst Du doch zusammen mit KD und Frank Wolf, mit Daniel Cohn-Bendit, mit Seauvageaut und Gaston Salvatore in der ersten Reihe ! Da bist Du noch auf Krücken und Gibsbeinen nach deinem Sturz vom Handelszentrum mit Vollgas auf die Reihen der CRS losgestürmt , um sie zu provozieren, und Du warst sicher, sie würden einem Krüppel kein Haaar krümmen. Du Naivling: die waren alle fremdenlegionsgetestet, die hatten schon einige Hundert Leichen auf dem Kerbholz und hinter der Grenze an den Berghängen, da konntest Du doch die Maschinengewehrnester erkennen, und die Schützenpanzer und die Wasserwerfer. Du hast Glück gehabt!  Glück, dass sie nur den Auftrag hatten, die Grenze dicht zu halten und den roten Dany zu fassen.. Derweilen umringte General Massue , der Algerierschlächter mit seinen aus Baden-Baden herangeholten Panzern die Ile de France, ganz Groß-Paris und wartete auf den Schießbefehl Charles De Gaules gegen die Aufstädischen Arbeiter und Studenten..

KD Wolf, der 68er SDS-Vorsitzende hat das Bundesversienstkreuz um den Hals bekommen, Frank Wolf, sein Bruder und Mitvorsitzender spielt das Deutschlandlied für die schwarze Petra Roth auf seinem Chello und man hört nicht welche Strophen..” Mit Verlaub herr Wolf, das haben Sie jetzt aber etwas affirmativ gespielt. Auch die Roth kennt ihren Adorno. Manchmal, nachts, eher frühmorgens wird Frankfurt etwas erschüttert: das sind Thoeodor Wiesengrunds Rotationen im Grab!  Oder isses die U-Bahn? Und Dany Cohn-Bendit ? Der ist EURO-Fighter und für den Afganistan-Einsatz…. nicht persönlich, auch nicht für den seiner Kinder, aber den der Bundeswehr…  Ich zähle hier jetzt nicht auf, welche strategische Bedeutung dieses Land für die Erschließung der asiatischen Resourcen hat unb welche bei der Isolierung der VR China…

(wird fortgesetzt)

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

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