Jochen Schäfer ist tot. HaBE versucht, ihn wieder unter das Römerdach ins Leben der Stimmen der Literaten zu holen. Ein erster leider vergeblicher Wiederbelebungsversuch. Ein Weckruf für den Tonmeister des Frankfurter Literatur-Telefons.

mich trifft  Jochens Tod wie ein Luftschlag. so muss das Gefühl sein, wenn eine Transall einen überfliegt und ein Tornado im Zielanflug  auf einen zukommt. Jochen ist tot und ich will es nicht wahr haben, es ist wie der Tod Wolfgang Stryis, obwohl, obwohl, obwohl, wir kannten uns nur ein paar Tage und Wolfgang  hat 14 Jahre  die Töne meiner Texte gemacht, meinen Texten Töne, meine Worte zu Musik gemacht. Jochen hat sie “nur” aufgenommen.. sofort verstanden und wir uns auch. (((Die Trauerfeier findet am Mittwoch, den 10. November um 9.45 Uhr auf dem Frankfurter Hauptfriedhof statt.)))
Wir haben uns bei den Aufnahmen erst kennen gelernt. Ich habe ihm meinen Roman “Putztruppen” als erstem fast ganz erzählt, nachdem der bei einem Festplattencrash über die Wupper gegangen war. Jochen hat bei der Erzählung viele Details mit eingeflochten, denn er kannte, nein, hatte “ein duzend Oberbürgermeister aufm Buckel”… Jochen hat mir auch gesagt, dass er die Hauptfigur des Romans persönlich kennt: “Jochen, ich hab den erfunden!” “Nein, isch kenn denn!!   Ich weiß wo der wohnt. Dem hawwe die Amis nachem Kriesch, e Kneipe hinner die Katharinekersch gestellt, Geschenkt, mit em Bergepanzer hawwe die e Wellblesch-Halle vom Rebstock gebracht un hiegestellt. Da hat der die ganze Unnerwelt unner kontrolle, de Schwarzmarkt, die ganze Jazzer, de Emil un de Albert warn dort noch vor de kleine Bockenheimer. Die war doch noch verschütt…”  Wenn Jochen in Fahrt kam, hat er geslangt, wie’n eschde Friedrisch Schdolze.  Er hat mir den ersten Literaturpreis verliehn : mit meiner Geschichte war ich in seine Realität eingedrungen und wir haben gemeinsam das Lied vom KWFF gesungen und auch von seiner polnischen Frau, der Displaced Person, der ex-Zwangsarbeiterin, die jetzt für ihn putzte.. “Isch kenn die genau, na, isch habb se gekannt. Bevor se aus em Fenster gefalle is. Die hat im Riederwald in de Schul geputzt ” So hört sich das an, wenn Frankfurter Hochdeutsch reden, es versuchen, Jochen konnte das wunderbar…… Jochen wollte mir die Karriere dieses PolizeiHauptkommissars noch genau aufzeichnen…. Im Runterfahrn im Aufzug haben wir festgestellt, dass wir am gleichen Tag Geburtstag haben, er nur 10 Jahre früher oder warens 5 ? Ich bin in den 5 oder 6 !!! Jahren nach der Aufnahme und nach unseren langen Gesprächen danach nicht mehr zu ihm nach Frankfurt gekommen, habe es immer wieder aufgeschoben, weil immer wieder irgendwelche Kriege dazwischen kamen, gegen die ich unbedingt anschreiben musste, da mussten die “Putztruppen” und auch Jochen erst Mal warten .  Und jetzt hat er unsere gemeinsame Geschichte einfach unerzählt, erzählt ja schon aber noch lange nicht aufgeschrieben mit ins Grab genommen. Ich werde den Roman für ihn fertig schreiben.
Ich werde einen ersten kurzen Nachruf und dann unsere Geschichte als sehr sehr sehr langen ihm nachschreiben. Jochen , ich mach sie mindesten 300 Seiten, nein 400 Seiten lang und sie wird so kompliziert wie die Katakomben unter der Altstadt, dem Ghetto und was davon die Bomben und später die Bagger noch übrig gelassen haben… Ich schwörs Dir… Ehrlich….
Jochen, jetzt bist Du mit dem Aufzug nicht nur ins Tonstudio nach oben unters Römerdach gefahren. Du hast den allerobersten Knopf gedrückt  und mich nicht mitgenommen. Du wolltest mir doch KWFFs Wohnung zeigen! Das hättest Du auch noch machen können, bevor Dein letzter Aufzug kam. Aber, wie so oft bin ich zu spät gekommen. Lach net, Achmet! Halt mir oben einen guten Platz frei, ich will mit Dir die Paulskirche sehn und nicht den bescheuerten Gerippten am Westhafen.. Dann werden wir den BankenHerrn und Damen dieser Stadt von oben die Leviten lesen…

Das wird schön.

Und grüß mir STALIN, na Du weißt schon, seinen Doppelgänger ! Oder ist der in den Tiefkeller gefahren ? Aber man sieht sich ja trtzdem, da ist so ein Paternoster wie früher im Rundschauhaus ..  Und vergiss nicht dem Hannes Schwarzmüller die Grüße auszurichten. Ich werde die Kerle noch finden, die seine Familie nach Auschwitz durch den Schornsteingefeuret und gleichzeitig für ihre Rettung Geld kassiert haben. Die schweizer Konten sind noch voll. Der KWFF hatte die Nummern in seinem eingeschlagenen Schädel.  Aber da ist nix mehr zu finden… Wie nach meinem Festplattencrash.

Zusammen hätten wir jetzt sogar doch noch die Nummern gefunden…

Überleg schon Mal, wie wir das von oben aus packen. Und wie die uns hören. Naja, Du bist der Tonmeister. Du schaffst das. Du hast eigentlich immer alles gepackt.. Sechs meiner Gedichte in 10 Minuten und lupenrein und brilliant im Ton. Wer kann das schon, wer macht das jetzt ? Gibt es jemanden, der Dich ersetzt ?  Ich kanns nicht glauben. Aber wie ich Dich kenne, hast Du schon einen angebaggert und angelernt , einen Jüngeren vom hr, vom hessischen Schwarzfunk mit den vielen Tier- und Koch-Sendungen, einen der Lust hat, auch Mal was Anderes zu machen, außer dolles Dorf, und Pinguin und Co uund hessen schwitz und Kochduelle..
Wir werden ihn kennen lernen..
Schaumerma. Lebbe gehd weider!
Pass gut auf uns auf.
Dein HaBE

Und ehrlich gesagt, die Scheibenwischer schaffen das mit dem Starkregen vor meinen Augen auch nicht mehr so richtig. Naja, mer soll die Scheibenwischer eben doch net beim ALDI kaufen. Du glaubst mir widder net. Doch, ich hab nah ans Nizza gebaut. Nee, des war mir zu teuer.  Dribbdebach am Deutschherrnufer. Üwwerm “Underground”, da wars billischer. Richtung Schlachthof.. Ich bin traurig. Machs gut. Bis später. Irgendwie freu ich mich auf dich.

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

2 Gedanken zu „Jochen Schäfer ist tot. HaBE versucht, ihn wieder unter das Römerdach ins Leben der Stimmen der Literaten zu holen. Ein erster leider vergeblicher Wiederbelebungsversuch. Ein Weckruf für den Tonmeister des Frankfurter Literatur-Telefons.“

  1. Lieber Hartmut Bart-Engelbart,

    vielen Dank für Ihr Erscheinen am Mittwoch, Ihre Anteilnahme und das Buch! Die Deutschlandreise im ICE habe ich ihm schon vorgelesen.

    Wenn ich darf, habe ich eine Bitte an Sie: Ihre Worte auf Ihrer Homepage zum Tod meines Vaters bedeuten mir sehr viel, weil ich ihn mir dabei auch so lebhaft vorstellen und sogar fast hören kann. Ist es möglich, dass Sie mir diesen Text einmal per Mail zur Verfügung stellen? Irgendwann rutscht er nach hinten, weil sich die Welt weiterdreht und viele schlimme aber auch schöne Dinge passieren. Dann finde ich den Text vielleicht nicht mehr und das fände ich sehr schade.

    Ich danke Ihnen schon jetzt für Verständnis und verbleibe mit den besten Wünschen für Sie und Ihr Schaffen

    Mit herzlichem Gruß
    Birgit Menzel

    Für meinen Babba

    Ist der Tod das Ende?
    Mit Verlaub, ich glaub’ es nicht.
    Ich schau auf meine Hände,
    suche den Schalter für das Lebenslicht.
    Hör ihn klicken, wird nicht hell,
    ist ja auch noch viel zu schnell.
    Seh einen Schimmer ganz weit hinten,
    und hoffe, ich kann noch mehr Licht finden.
    Vermisse, weine, will nur schreien,
    doch nichts davon kann mich befreien.
    Muss warten und auch etwas ruhn,
    ach Papa, ich dank Dir für all Dein Tun.
    Für Deine Liebe und Dein Lachen,
    für Deinen Zorn und auch die Strafen,
    für einfach alles, für Dich und mich
    Du bleibst bei mir, ich spüre Dich.

    In Liebe
    Deine Bobba

  2. Danke für diesen Text, der mir meinen Vater ein Stück erhält. Ich will es auch nicht wahrhaben, alles in mir wehrt sich und doch ist es so. Er hat seine Arbeit und seine Heimat geliebt und so viel gewusst. Das schönste für ihn war, wenn es ihm gelang, die Töne der Menschen einzufangen und zu einem harmonischen Klang zusammenzuführen. Behalten Sie ihn in guter Erinnerung.

    Mit traurigem Gruß
    Birgit Menzel geb. Schäfer

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