Auf der Alten Leipziger Straße nach Amerika?

Von Gründau-Lieblos nach Amerika? Über die Leipziger Straße? Durchs Kalbfleisch-Haus? Durch die Urbach’sche Altherberge nach Afrika? Nach Asien? Nach Australien?

Diesen Beitrag hatte ich 2008 geschrieben und ihn noch nicht korrigiert. Dann ist er mit der Festplatte zusammen über die Wupper gegangen, übern Jordan, über die Grinn oder die Kinz. Hier veröffentliche ich ihn zunächst ohne inhaltlich und auch ohne Rechtschreib-Korrektur. Eventuell hat die Forschung in der Lokalgeschichte Manches  korrekturfällig gemacht. Schaumerma!!

HAUS3HAUS1HAUS2in meiner Grafik-Reihe “Bevor der Abrissbagger kommt” -Bilder aus dem Kinzig- und Gründautal – habe ich vieles noch festhalten können, was heute nicht mehr steht. Für das Kalbfleisch-Urbach’sche Gasthaus, für den “Storchen”, die Liebloser Bahnfrachthalle, die Zigarrenfabrik hat es nicht mehr gereicht. Die Skizze oben habe ich in Bad Salzuffeln gezeichnet, offenbar bei Hochwasser :-O))), Die Bilder darunter haben Peter Joh, den Kaufhauskettengründer dazu gebracht, dieses Haus in Gelnhausen nicht für eine Parkplatzerweiterung abzureißen. Es wurde im gleichen Jahr wie der “Kaiserbahnhof” 1905 erbaut, als Wohn- und Kaufhaus mit Arkaden, in die später eine Gaststätte eingebaut wurde, das heutige “Lorbass”. Die Bahnhofstraße wurde für den Besuch des Kaisers zur Meerholzer Grafenhochzeit 1905 als Prachtstraße ausgebaut und für den Kaiser eine Schneise in und durch die Altstadt gerissen, “damit der Kaiser nicht so viele Kurven” auf dem Weg vom Bahnhof zur Marienkirche, der “Notre Dame” vom Kinzigtal, bewältigen musste. Bei dieser Gelegenheit wurde auch die Kaisertreppe zur Kirche gebaut und dabei ganz nebenbei das Fachwerkhaus vor dem Romanischen Haus abgerissen und so das Romanische Haus erst entdeckt.. aber das gehört gar nicht zur folgenden Geschichte

Von Gründau-Lieblos nach Amerika? Über die Leipziger Straße? Durchs Kalbfleisch-Haus? Durch die Urbach’sche Altherberge nach Afrika? Nach Asien? Nach Australien?

Also, wenn Sie mich fragen, im Zuge der Globalisierung ist das doch alles möglich.
Oder nicht? Sehn Sie doch Mal das Benzin, an der Shell-Tankstelle, das kommt denn doch auch von Afrika in die Leipziger Straße! Warum sollte man da nicht auch umgekehrt ….?

Naja, genauer gesagt, nicht das Benzin, aber das Öl, das kommt doch aus Nigeria,  da aus dem Knick in der Mitte, aus Nigeria. Ja, ja , jetzt kommt das Öl halt nicht mehr, weil das die Terroristen im Niger-Delta .. ja,ja schon gut, dann halt aus Angola. Oder Darfur.

Da sind doch die Chinesen jetzt am Zapfhahn!

Na dann halt Somalia.
Ja? Aber es war ja auch nicht das Benzin, außerdem war autofreier Sonntag und alles beim Kinzigtal-Total mit den Rädern unterwegs.

Nein , es war wegen der Gemeinde Gründau. Also wegen Lieblos. Sie wissen schon, Möbel-Walther, der heißt jetzt Möbel-Höffner …  immer noch Lieblos an der A66. Abfahrt Gründau-Lieblos. Kennt man doch von der Werbung im Radio.
Also, die haben das mit dem offenen Denkmal —ach so, hab ich das schon gesagt? Der autofreie Total-Sonntag für Radfahrer war auch der Tag des offenen Denkmals …und das haben die von der Gemeinde irgendwie falsch verstanden: die haben da extra für diesen Tag ein Fachwerkhaus aufgerissen bis in den Keller … das war schon etwas makaber, wie eine Leichenöffnung. Neben mir stand einer vom Geschichtsverein und hat erzählt, das wäre das ältetese Haus von Lieblos und eine der wichtigsten Raststätten für die Kutschen und Fuhrwerke von Frankfurt nach Leipzig – natürlich auch umgekehrt……

Ja schon gut, aber wie kommt man da nach Afrika ?

Ja das war so: in dem Haus, in dieser Raststätte, – die hieß nicht Raststätte sondern Alte Herberge, weil es dann später an der neueren Leipziger Straße eine Neue Herberge gab, so konnte man die besser auseinanderhalten. Und weil dann da nicht mehr so viel los war, weil keine Kutsche mehr die Alte Leipziger durch den Ort fahren wollte, die nahmen lieber die Umgehungsstraße, die der Napoleon für seine Armee gebaut hat.
Nein, er nicht – aber die Bauern in Lieblos, die haben die Umgehungsstraße für den Napoleon ausbauen müssen, die haben ein Fuhrwerk nach dem anderen Steine, Felsbrocken aus dem Liebloser Steinbruch herbeigeschafft und in den Kinzigsumpf geworfen bis die Trasse fest war ..  Nun gut, da war die Laufkundschaft weg und dann war Platz in der Alten Herberge und dann konnten da Asylanten rein, nein keine Afrikaner ! Das waren Franzosen, Flüchtlinge aus dem Hanauer Land, das liegt im Elsaß im Norden und im Süden vom Saarland. Die mussten da raus, entweder vor oder nach der Revolution.
Die Umgehungsstraße gab es schon vor der Revolution und die Neuherberge auch.
Aber die Umgehungsstraße war noch nicht so das Gelbe vom Ei, weil da sind immer noch jede Menge Kutschen im Schlamm versackt und das hat dann später den Napoleon sowas von tierisch geärgert, weil er so den Termin mit dem Russlandfeldzug nicht einhalten konnte —  aber sauer war der so und so schon vorher auf die Bauern im Kinzigtal, denn im Gasthaus “Zum Bogen” in Grüdau Rothenbergen, da haben ihm die Bauern seine Kriegskasse geklaut.
Die hatte er unten im Keller versteckt und da gab es einen zweiten geheimen Zugang.
Aber das war nicht der “Bogen”, der Napoleon hat im “Fass” gewohnt und dort ist die Kriegskasse geklaut worden.
Das Fass ist heute eine Volksbank und steht an der Frankfurter Straße.

Da heißt die Leipziger plötzlich Frankfurter.

Ja und den Hufeisenhof Fass mit seinen Arkaden rundrum, den haben die Mal locker für einen Lebensmittel-Supermarkt abgerissen.
War ein schöner Winzerhof.
Mit einem großen Festsaal.
Ja, der steht noch.
Aber jetzt sieht er aus wie eine aufgeblasene Eisdiele:
rundumerneuert , Bürgerhaus halt, mit Türen von PORTA . Und den historischen Kellereingang, durch den die bauern die Kriegskasse abtransportiert ahtten und dan aufgeteilt – ja , die hatten ja keinen Hosenknopf für ihre Spanndienste bekommen, die mussten auch Vieh abliefern und Wein und Korn und Brot, da war dann echte Not. Ja und dannhaben sie die Kriegskasse geholt, durch den Kellereingang  in der Einfahrt zum Supermarkt, Nahkauf oder so, den hat die Volksbank jetzt zubetonieren lassen und asphaltieren. Erst hhatte ich geglaubt, das machen die, um die Tresore zu sichern. Aber die haben da gar keine. Die wollten nur Platz für einen halben Parkplatz mehr schaffen. Ham sie auch geschafft. Jetzt klaut kein Bauer mehr die Kriegskasse.

Und danach hat der Napoleon die noch mehr für sich schuften lassen bis zum Umfallen.
Die Rothenberger und die Liebloser Bauern.

Jetzt aber echt zu Afrika,
geht aber nur über einen kleinen Umweg:
also die Glaubensflüchtlinge in der Alten Herberge, die hießen “Inspirierte”- so vom Geist beseelt oder so was ..
die haben sich in der Alten Herberge im zweiten Stock einen großen Gottesdienstraum ausgebaut …
den konnte man jetzt am Tag des offenen Denkmals leider nicht mehr sehen.
Der lag schon hinter einem Absperrzaun mit dem Plakat “Bauschutt günstig abzugeben”.
Ja und dann hat mir der Mensch vom Geschichtsverein erklärt, dass das Dach von der Alten Herberge von den Franzosen mit einem KnüppelWalm –
also mit einem abgeflachten Dachfirst umgebaut wurde.
Warum die das gemacht haben, hat mir der Mann nicht erklärt. Is ja auch nicht so wichtig. Viellleicht ist das weniger windanfällig! Oder der Firstbalken musste dann nicht mehr so lang sein. Egal.
Und dann hat er gesagt, es gäbe in der Nähe noch eine Siedlung, da könnte man das sehr gut sehen. Das sei in Richtung Büdingen, der Herrenhaag und da wären es auch Glaubensflüchtlinge gewesen – mit dem Knüppelwalmdach. Oder heißt das Krüppel-Walmdach?
Aber die Krüppel wären jetzt nicht aus Frankreich sondern aus der Tschechei oder aus Tschechien oder aus Böhmen und Mähren oder aus dem Sudetenland oder aus Oberschlesien.. Egal, das seien die Herrenhüter und die wären noch älter als der Luther  und die hätten früher Husaren geheißen nach ihren Anführer Jan Hus,

Nein nicht Husaren,  das waren Hussiten ..

Ja und dort hätte die Gemeinde – also die Herrenhüter Brüdergemeinde das mit dem offenen Denkmal richtig verstanden, dort würde renoviert und auch der Brunnen soll dort wieder aufgebaut werden,

nein der Brunnen steht noch, nur das Brunnenhaus ist weg und das wollen die wieder aufbauen,

nein, in Gründau haben sie das Brunnenhaus nicht abgerissen, um den Brunnen zum Denkmaltag offenzulegen … Jetzt hör doch Mal richtig zu, Mensch!

Da bist du auch falsch gefahren, …. was ?

Ja, der Herrenhaag liegt auf einem Berg, aber Du warst in Niedergründau auf dem Kirchberg, da hat die Kirche zwar die Herrenscheune abgerissen, aber das Brunnenhaus steht noch, und das wird bestimmt nicht abgerissen, weil unterhalb der Kirche gegenüber vom Friedhof, ….
Nein,  von dem neuen Friedhof, da gibts genug Parkplätze, da muss nichts weiter abgerissen werden.

Hier endet vorläufig der historische Dialog der zwei Gründau-Lieblos-Besucher … Fortsetzung folgt demnächst,
wenn die Synagoge in Lieblos von oben geöffnet wird, oder die Haingründauer Mühle oder die Renaissance-Papiermühle hinter dem Baumarkt und der Kläranlage direkt neben der A66) Ach so, man könnte aber stattdessen auch ein paar neue keltengräber aufreissen, wenn man die Erdaushubdeponie des hessischen BauernverbandsChefs und CDU-Mdl Schneider wieder wegbaggern könnte..
Jetzt folgen ganz prosaisch nur noch die harten nackten Fakten:
Wie kommt man also von der Alten Leipziger Straße direkt nach Afrika ? nach Asien ? nach Amerika ? gar nach Australien ?
Das zum Tag des Offenen Denkmals missverständlicherweise auf- und abgerissene älteste Haus in Lieblos, war nicht nur eines der wichtigsten und schönsten Fachwerk-Rasthäuser an der Verbindungsstraße zwischen Frankfurt und Leipzig im “Netz der Hohen Straßen”,
die Alte Herberge war auch nach der Eröffnung der Liebloser Neu-Herberge ein Zufluchtsort für die “Inspirierten”, die Glaubensflüchtlinge aus Frankreich, aus dem Hanauer Land im nördlichen Elsaß.
Hier bauten sie sich einen architektonisch gewagten großen Gottesdienstraum im zweiten Stock aus und wanderten dann nach ausbrechenden Streitigkeiten mit den Fürsten und auch den Eingeborenen noch vor der französischen Revolution fast vollständig nach Nord-Amerika aus.
In etwa das Gleiche passierte in der Vorburg der Ronneburg, wo die  Schutzjuden vom Büdinger Fürsten Pogromen freigegeben wurden und die “Inspirierten” ihre Gottesdiensträume aufgeben mussten.
Viele Juden sind damals zusammen mit den Inspirierten nach Amerika ausgewandert.
In Büdingen, genauer gesagt, oberhalb von Laubach, Vonhausen und Diebach am Haag gab es eine ähnliche Entwicklung:
die Herrenhuter Brüdergemeinde wurde vom Büdinger Fürsten gezwungen ihr gut florierendes wirtschaftliches und religiöses Zentrum mit über 2000 Bewohnern zu verlassen (Büdingen hatte zu dieser Zeit gerade Mal 800 Einwohner!).
Jetzt wurde beim Tag des Offenen Denkmals auf die gigantischen Leistungen der kommunitären Gemeinschaft hingewiesen.
Zu Recht, es wurde auch gesagt, dass Graf Zinsendorf sich mit einem sehr umfangreichen Kredit und seinen gute Beziehungen quer durch Europa beim Fürsten eingekauft hatte:
den gesamten Herrnhaag, die dazugehörigen Wälder, komplette Steuerfreiheit, Zollfreiheit beim Handel mit Hanau, Frankfurt … Holz, Jagd- und Wasserrechte…

alles das berichtete der Fremdenführer grundehrlich, nur er verschwieg eine ganze Menge:
Im Gegensatz zu den Inspirierten traten die Herrnhuter nicht nur als Konkurrentan auf dem Markt gegen die Eingeborenen auf, sie hatten eine Fülle von fürstlichen Privilegien,
waren im Handel dadurch sogar den jüdischen Händlern haushoch überlegen, und sie gruben  den Eingeborenen sprichwörtlich das Wasser ab.
Wurde das vor den Herrnhutern am Herrnhaag angesiedelte Frauenkloster bereits im frühen 16. Jahrhundert wegen Wassermangels geschlossen, so konnten die Herrnhuter nicht nur wegen ihres ca. 40 Meter tiefen Ziehbrunnens dort sehr gut wirtschaften:
über Staudämme, Fischteiche und eine von ihnen entwickelte Pumpstation konnten sie den im Tal unter ihnen gelegenen Lorbacher Bauern und Handwerkern das Wasser abpumpen, was in dürren Zeiten die Ernten vernichtete,  die Mühlen und Schmieden stillstehen ließ, die Bauerngärten verdörrte und die Bauern mit ihren kläglichen Ernteresten in die teueren fürstlichen Bannmühlen zwang.

Wer dann noch versuchte, in den bereits abgeschöpften Bächen zu fischen oder in den Wäldern zu jagen oder sich wenigsten den Winterbrand im verfürstlichten Wald zu besorgegn, der wanderte in die fürstlichen Zuchthäuser. Wilderer, Holzfrevler, Wilddiebe …
Das alles blieb den Herrenhutern erspart.

Den ebenfalls fürstlich -nicht ganz so umfangreich aber auch- privilegierten Waldensern, Inspirierten, Hugenotten blieb dieses Schicksal ebenfalls erspart. Besonders die Hugenotten stellten später die kapitalistischen Eliten im Land und die Telefonbücher sind heute noch voller französischer Namen aus dieser Zeit, die Industrie- und Handelskammern waren es bis nach dem 2. Weltkrieg ebenfalls.

Die Fremdenführer auf dem Herrnhaag, aber auch auf der Ronneburg loben den Herren, den mächtigen König der Erden usw…
ganz treu evangelisch wegen seines Toleranzediktes:

der (Hinter)Grund war aber ganz einfach:
nach dem 30jährigen Krieg waren die Dörfer und Städte entweder als Wüstungen total verwüstet oder nahezu entvölkert, d.h. leergemordet, verpestet .. (schon damals waren Soldaten Mörder!).
Was überlebt hatte, fürchtete weder Fürst noch Teufel, richtete die bäuerliche Wirtschaft in unsäglicher Knochenarbeit wieder auf und verweigerte wohl notgedrungen Steuern, holte sich die alten Holz-, Jagd-, Wasser- und Weiderechte wieder, die Almenden, die Gemeindewälder … und wurde dafür von den fürstlichen Jägern gejagt – in die Zuchthäuser, vor die Gerichte bis hoch vors Reichskammergericht nach Wetzlar, wo die Büdinger Fürsten 1765 in einem großen Prozess
gegen den Fürstbischof von Mainz, den DeutschHerrenorden, die Prämonstratenser und einige MittelGründauer Bauern verloren. Und das auch noch vor dem kaiserlichen Hofgericht in Wien, wo der Hafgerichtsrat -dokumentarisch festgehalten – die nach Wien gereisten Mittel-Gründauer Bauern darum bittet, doch endlich nach Hause zu fahren, sie bekämen ja auch Recht.  Der gute Mann wie der gesamte Wiener Hofstaat war das Lärmen der oberhessischen Bauern satt.

aber das ist jetzt eine andere Geschichte… die kommt später noch mal.

Die durch den Krieg etwas geschwächten Fürsten brauchten Geld:
das holten sie sich bei ihren Schutzjuden, wobei sie sicher waren, dass die Schuldscheine sich nicht lange hielten, wenn man den Volkszorn richtig lenkte oder die Jäger Mal nach dem Rechten schauen ließ.

Und sie holten sich das Geld von solch vagabundierenden Adligen wie dem Grafen von Zinsendorf.
(welch schöner Name, der hätte den preussischen Beamten bei den Steinschen Reformen um 1812 zur Eindeutschung der Juden einfallen können: fast so wie Goldstein, Silberberg usw… für den hätte eine jüdische Familie viel mehr Bestechungsgeld zaheln müssen als zum Beispiel für Knoblauch oder Hund als neuen Familiennamen, statt Israel oder Baruch usw…)

Und die Fürsten suchten Zuwanderung möglichst gebildeter, handwerklich geschickter Arbeitskräfte und Steuerzahler oder wenigstens Menschen, die die Wirtschaft für sie ertragreich in Gang setzen könnten, die die gehobenen Bedürfnisse des Adels bedienen konnten, Spitzen, Schmuck, Schlossbauerei, Architekten, Winzer und Brauer, Waffenschmiede, also die von Savignys, die Pelletiers, die Boussonvilles, die Gaschés, die Lafontaines …

Die Toleranzedikte waren nichts anderes als die IT-Einwanderungsscheine des 21.Jahrhunderts.
Und es war geschickt eingefädelt: natürlich wussten die Fürsten und ihr gesamter Hofstaat, ihre Spitzel und Jäger genau, wie die Wut der Dörfler hochkochen würde, wenn sie mit ansehen mussten, wie eine Gruppe von Fremden auf Ländereien,
die ihnen der Fürst zuvor abgenommen hatte, jetzt mit hohen Privilegien und viel Geld im Kreuz ihnen vormachte, was sie alles hätten machen können, wenn der Fürst ihnen die Wälder nicht weggenommen hätte, die Felder nicht durch das “Wilderei”-verbot
seinen Schwarz- und Rotkitteln ausgelieftert hätte, wenn sie das Wasserrecht gehabt hätten, das Holzrecht  und vor Allem ihre kommunale Selbständigkeit, ihre ursprünglich kommunitären Strukturen. Die hatten nämlich die Feudalen nahezu vollständig zerstört.

Mit der Zerstörung der dörflich autonom-autarken Gemeinwirtschaft, die eine der wesentlichen Grundlagen für die Dreifelderwirtschaft und damit der Fruchtbarkeit des Bodens bildete, mit der Konfiszierung der gemeindlichen, gemeinsamen Waldweiden, der Almenden, blieb den Dörflern als “Ausweg” aus Fron und Knechtschaft nur das bis ins 19. Jahrhundert nur den reichsten Bauern in Mitteldeutschland mögliche “Sich freikaufen”.
Hier entstanden auch die ersten missliebigen Geldmacher, die Müller, die das ehemals allgemeine, gemeinsame Wasserrecht monopolisierten, privatisierten und so den Zorn der Bauern auf sich zogen: “Lauf! Müller! Lauf!…” heißt es in einem Spottlied auf den reichen Müller, der aber auch ein fürstlicher Bannmüller gewesen sein konnte.

Die gegen Mitte des 19. Jahrhunderts erkämpfte Möglichkeit des Freikaufs von Fron und Leibeigenschaft erwies sich als geniale Falle.

Erstens reichte das Geld meist nicht und man musste sich für den Freikauf verschulden – über Generationen hinweg… und wer nicht zahlte, zahlen konnte, durfte den Ausweg nach Amerika suchen (und dort den Indianern, das Land weg und in den ersehnten Privatbesitz nehmen)
So zahlten viele Dörfer für ihre “Freiheit” noch bis in den ersten Weltkrieg an die Fürsten oder “schenkten” ihnen, wie im Fürstentum Isenburg-Büdigen noch bis in die 1970er Jahre üblich zu den Fürstengeburtstagen Waldstücke, Felder, Wiesen,
um ihren Herren milde zu stimmen.

Und zweitens waren die dann “freien Bauern” von allem Besitz befreit gezwungen zu jeder übelsten Bedingung in die Lohnknechtschaft zu gehen. Und das auch noch in (Industrie-) Betrieben ihrer alten Peiniger: Steinbrüche, Steingutfabriken, Brauereien, Möbelfabriken, Eisenhammer, Schnapsbrennereien, Domänen, Forstwirtschften usw…

Auf diesem Hintergrund konnte das Büdinger Fürstenhaus seinen Gelüsten nach Übernahme der prosperierenden Gemeinwirtschaft der Herrnhuter in sofern freien Lauf lassen, als sie Dörfler gezielt gegen die etwas fremdartigen Einwanderer aufhetzte:
die nächtlichen “Blutorgien” in den mit Tierblut überschütteten übermannsgroßen Nachbildungen der “Seitenwunde Christi”, bei denen die Brüder und Schwestern Hosiannah-singend durch die Wunde stiegen und /oder sich in Christi Blut wälzten,
brachte sie mental bedenklich Nahe an die angeblichen “Christusmörder”, die Juden heran und damit auch nahe an Pogrome.

So gelang es, die Herrnhuuter zur Aufgabe ihres Sitzes und zur Auswanderung aus dem Fürstentum zu zwingen. Besonders auch deshalb, weil sie sich weigerten, den Untertanen-Eid zu leisten. Die Herrnhuter anerkannten nur eine Obrigkeit. die im Himmel.
Zwar realisierte das Fürstenhaus seinen Plan nicht, auf dem Herrenhaag seine Sommerresidenz einzurichten, gab aber das Anwesen zur quasi Plünderung frei, zur Benutzung als Steinbruch …

Das besonders Perfide an dieser Entwicklung ist, dass ausgerechnet die Herrnhuter als Missionare in alle Himmelsichtungen aufbrachen und in Nord- und Süd- Amerika, in Grönland, in Afrika und Asien, ja sogar in Australien auf Teufel komm raus missionierten
und mit der Verbreitung des Christentum auch die Einführung des Privateigentums organisierten.

Wie eng das Massenenlend mit der heiligen Familie und dem Privateigentum zusammenhängt, darüber hat Friedrich Engels gut Bescheid gewusst und ein sehr lesenswertes Buch darüber geschrieben.

Noch heute ist das der Tod vieler indigener Völker, die dieses Privateigentum an Grund und Boden nicht kannten und z.B. heute aus den Gemeinschaften herausgekauft werden, Kredite nur erhalten, wenn sie sich zu Privatbesitzern von Teilen des indigenen Gemeineigentums erklären und nur so aus der Gemeinschaft einzeln herauszukaufen sind:
z.B. bei den Enteignungen für den Bau riesiger Staudämme in Costa Rica, wo sie nur eine gewisse Entschädigung erhalten, wenn sie das Privateigentum an dem enteigneten Grund und Boden nachweisen können…
Nach diesen Mustern verläuft nach wie vor die Kolonialisierung und die Vorbereitung dafür war immer die Christianisierung, die Zerstörung matriarchalischer Strukturen, des Gemeineigentums an Grund und Boden und das Gemeineigentum der  Produktionsmittel.

An diesem Punkt gab es im Übrigen zwischen Karl Marx und Friedrich Engels heftige Auseinandersetzungen über den von Marx so genannten “russischen Sonderweg”
entlang der Strukturen des russischen Dorfes und bei der “asiatischen Produktionsweise”.
Engels war immer der Auffassung, dass das Privateigentum und der Kapitalismus notwendige Durchgangs-Entwicklungsformen der Gesellschaft überall seien.
Karl Marx sah das in vielen Punkten etwas anders. Durchgesetzt hat sich die Engels’sche Auffasssung, weshalb in der Folge auch in Afrika, Südamerika und Asien die frühen kolonial-sozialdemokratischen wie auch später viele kommunistische Parteien zu Propagandisten der Kapitalisierung wurden – als notwendiges Durchgangsstadium für die Hervorbringung eines “nationalen” Proletariats als Antwort auf die Entstehung der “nationalen” Bourgeoisie ….
Von daher rührt auch das geringschätzige Herabsehen europäischer Linker auf viele bäuerliche Bewegungen in der sogenannten Dritten Welt.
Da kriegen die bei ihren Gardinenpredigten so richtig Schaum vorm Mund. Besonders, wenn sie sich über die Auswäüchse der Bilderstürmerei in diesen Weltgegenden mainstreamverstärkt auslassen: die Bauernrevolten gegen die tibetischen Klerikal-Feudalen sind ihnen ebenso ein Greul wie die Bauernrepubliken des Mittelalters, die Bauernkriege, die Bilderstürmer, na ja, das geht eventuell noch so durch als vorbürgerliches und so gesehen auch notwendiges Vorstadium.
Doch dann! Dann holen sie aber so was von aus und schlagen einem den PolPot
um die Ohren, die Kultur-Revolution, den Tribalismus von Robert Mugabe, und dann auch noch die Taliban, wohlweislich verschweigend, dass die erst mit US-Unterstützung an die Macht kamen. Alle Bewegungen, die sich gegen die Kolonialsozail-demokratischen und kolonial-“kommunistischen” Segnungen aus dem Westen richteten und richten, sind ihnen zumindest suspekt, wenn nicht gar des Teufels.

Mir hat Mal Khasan Gul Tani, ein Studienkollege von der Generalunion Afghanischer Studenten 1971 gesagt:
“es ist vom Gemeineigentum in unseren Bergtälern zum Kommunismus gar nicht so weit: wir brauchen lediglich etwas Strom, vieleicht auch einige Traktoren, dann wären wir schon fast so weit! Schulen und Krankenhäuser müssten auch noch dazu kommen.
Obwohl wir unsrere eigene Medizin auch ruhig weiterentwicklen können!”
Er war politisch-geistliches Oberhaupt eines Paschtunenstammes in der Grenzregion zu Pakistan und wollte  dort mit seiner ganzen Autorität eine Revolution von oben organisieren und sie mittelfristig von unten zu untermauern.
Den sowjetischen Einfluss nannte er teilweise parakolonial, mechanistisch, weil die Sowjets die kulturell-religiösen, nationalen und regionalen Besonderheiten mit Verstaatlichungs-Bullduzzern plattmachen würden.
Und den Einfluss der USA sah er als nur noch verheerend.
Wenn jetzt in “Krieg gegen den Terror” in Afghanistan und den angrenzenden Staaten das Privateigentum an Grund und Boden generell durchgesetzt wird mit deutscher Entwicklungshilfe und militärischer Gewalt, dann schaffen wir es auch in Friedenszeiten,
dass dort wie in Indien bei durchgesetzem Privateigentum jährlich Zig-millionen auf den Straßen ganz ohne Krieg verrecken.

Halle-Luh-Ja. Leipzig- hellau, Frankfurt-Allaf

So kommt man auf der Leipziger Straße direkt nach Amerika, Afrika und nach Asien.
Und an diesem Weltknotenpunkt reißen die Gründauer Kordeldeppen die Alte Herberge einfach ab, weil sie ein bis zum Keller offenes Denkmal am Tag des offenen Denkmals präsentieren wollen. Toll.

Nachträglich zu Protokoll:

mit abgerissen wurde auch das Renaissance-Treppenhaus der Alt-Herberge.

Das nennt man Gründauer Denkmalschutz. Aber den gibt es in Hanau, Frankfurt … von Aachen bis nach Zwickau

Gründau Hellau

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

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