Wo SA Sinti u. Roma ins KZ verschleppte:Kein Grabstein, kein Denkmal aber eine Müll-Deponie

Wo SA Sinti u. Roma ins KZ verschleppte:Kein Grabstein, kein Denkmal aber eine Müll-Deponie
Main-Kinzig-Kreis – Gründau
Geschrieben von: Hartmut Barth-Engelbart
am: Mittwoch, 02. September 2009 um 20:13 – Gelesen: 5994 mal

Dass es im Gründautal nur ein paar Wochen im Jahr nicht möglich ist, wegen der Gülle in dickster Sommerhitze bei offenem Fenster zu schlafen und man nicht ganzjährig in Abgasen zu ersticken droht, das liegt an dem unbeirrbaren Widerstand einer kleinen Mittel- und Niedergründauer und Ronneburger Bürgerinitiative gegen den Main-Kinzig-Kreis, die “großen Volksparteien” SPD und CDU und die Kreis-GRÜNEN und deren Deponie-Pläne nach dem Motto der beiden zuständigen Dezernenten Dr. Harald Friedrich und Erich Pipa als erstem Beigeordneten und Baudezernent mit seinem millionenschweren SteckenPleitePferd der “thermischen Verwertung”: “Verscharren und/oder verbrennen” war ihre Parole. Auch der AltLandrat Rüger und die CDU-Mehrheit waren für letzteres Feuer und Flamme. (Sorry, ich hatte die FeuerDeponiePartei im Kreis vergessen, die beides wollte!). Örtlich wurde der Widerstand von den GRÜNEN , letztlich auch von SPDlern und auch von CDU- und FWGlern unterstützt. Für eine gigantische Mülldeponie suchte der Kreis ab 1987 einen Standort: eine quasi-Allparteien-Koalition im Main-Kinzig-Kreistag hatte die potentiellen Standorte bereits fest im Auge oder drohte mit einer ebenfalls gigantischen Müllverbrennungsanlage, die dann ihre Asche dort ablagern sollte, mit in beiden Fällen katastrophalen Auswirkungen für Flora und Fauna, für die Luft und das Grundwasser. Ausgesucht waren bereits “Die Streit”, ein teilweise bewaldetes Tal, das der Fürst von Ysenburg-Büdingen über Jahrhunderte Stück für Stück zwischen Niedergründau und Altwiedermus (Ronneburg) teils in offenem Streit (daher der name) den Dörfern abgenommen hatte und das er jetzt als Deponiestandort versilbern wollte, – als nächster Standort der Allmessengrund zwischen Niedergündauer und Mittelgründauer Gebiet, dort und dahinter, wo heute die Gülle-Hochebene durch eine Erdaushubdeponie entsteht, dann der “Sauerngrund” mit seinen Quellgebieten nördlich des Rodenborn – und schließlich der “Judengrund”, ein Tälchen zwischen dem Modellflugplatz und dem ADAC-Übungsplatz, das heute bereits zu einem Drittel durch eine illegale Bauschuttdeponie verfüllt ist. Und was bitte hat das jetzt mit der SA und der Gestapo zu tun ?
Die Flurbezeichnung “Judengrund” existierte bereits vor dem 30-jährigen Krieg. Den wandernden Land-Juden, den Händlern wurde bis ins 17. Jahrhundert das Übernachten in den Dörfern von der Obrigkeit untersagt. Die fürstlichen Jäger jagten sie bei anbrechender Dunkelheit aus den Dörfern, die von den Feudalherren eingesetzten Schultheißen und Bürgermeister hatten dafür zu sorgen .. In Gericht Gründau gab es einen zentralen geduldetenPlatz, auf dem jüdische Händler übernachten dürften: der “Judengrund”. Es war eine Flur, die mit ihrem versauerten Boden praktisch keine landwirtschaftliche Erträge brachte .- so wie der sprichwörtliche “Sauerngrund” auch. Es waren schlecht zu entwässernde Senken mit Riedgras und Binsen bewachsen, mit mannshohen Hecken verfinstert und mit Legenden umgeben.

Als sich nach den Stein’schen Reformen in Preußen und mit der 1848er Revolution die Lage der Juden zu verbessern begann, verwaiste der “Judengrund” zunächst etwas. Aber es waren schon Nachfolger da: sie sprachen zum Teil ein Gemisch aus “Jiddisch” und Romanes. Sie waren wie die Landjuden “Fahrendes Volk”. die Sinti und Roma, die “Zigeuner”.

Für sie gab es in Gründau zwei geduldete Stellplätze: einen im Tannenwäldchen zwischen dem Tunneleingang der Bahnlinie Gelnhausen – Büdingen -Giessen und der (heutigen) Bundesstraße nach Büdingen und als Haupt-Stellplatz der “Judengrund”: hier kampierten Kesselflicker, Stuhl- und Korbmacher, Teppichflicker und -Händler, Scherenschleifer, Musiker, Artisten, …. Im Dorf wurden den Kindern schreckliche Geschichten über “die Zigeuner” erzählt, die “Wäsche, Kinder und Hühner klauten”, “schwarze Messen abhielten”, “wahrsagten und Blutopfer brachten” – wahrscheinlich die geklauten Kinder… Und viele “Warmsanierungen”, Erbstreitgkeitsbrandstiftungen wurden den “Zigeunern” in die Fußlappen geschoben. Es gab allen Grund den “Judengrund” zu meiden.

Kein Wunder also, dass kaum jemand im Dorf heute noch berichten kann, wieviele Sinti und Roma die SA und die Gestapo aus dem Tannenwäldchen und dem “Judengrund” in die KZs verschleppt hatten, wie sie dort schon ge- und erschlagen und gefoltert wurden, um aus ihnen die Verstecke ihrer SippenMitglieder herauszupressen.

Eine Aufforderung an die Kreisregierung durch den Autor dieser Zeilen , statt einer Mülldeponie im “Judengrund” dort ein Denkmal für die verschleppten und ermordeten Sinti und Roma zu errichten, verhallte ohne Antwort. Der “Judengrund” wurde weiter auf seine Eignung als Mülldeponie untersucht. Es war ein intensiv warnendes Bild, dass dann in nicht allzu ferner Zukunft die braune Brühe der contaminierten Sickerwässer aus der Mülldeponie unser Grundwasser vergiften wird. Wer seine Geschichte so wie Müll behandelt: vergraben, überdecken, verdrängen und verbrennen, wird darin umkommen

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

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