Putins & Bidens Pressekonferenzen nach dem Genfer Gipfel im kompletten Wortlaut

Gipfeltreffen in Genf

Wladimir Putin wird mir hoffentlich verzeihen, dass ich in der Überschrift die Biden vertauscht HaBE

Der komplette Wortlaut von Bidens Pressekonferenz

17. Juni 2021

Nach den Gipfeltreffen haben die Präsidenten Russlands und der USA getrennte Pressekonferenzen gegeben. Ich habe beide Pressekonferenzen komplett übersetzt, damit Sie sich ein ungefiltertes Bild machen können. Da Putins Pressekonferenz zuerst stattgefunden… schreibt der Macher des Anti-Spiegel

Gipfeltreffen in Genf

Der komplette Wortlaut von Putins Pressekonferenz

Nach den Gipfeltreffen haben die Präsidenten Russlands und der USA getrennte Pressekonferenzen gegeben. Ich habe beide Pressekonferenzen komplett übersetzt, damit sie sich ein ungefiltertes Bild machen können.

von Anti-Spiegel

17. Juni 2021 15:20 Uhr

Da Putins Pressekonferenz zuerst stattgefunden hat, habe ich diese als erste übersetzt. Die Pressekonferenz von US-Präsident Biden finden Sie hier. Beide Pressekonferenzen habe ich nach den offiziellen Protokollen des Kreml und des Weißen Hauses übersetzt, wobei der Kreml – im Gegensatz zum Weißen Haus – auch das Video veröffentlicht hat.

Bei der russischen Pressekonferenz waren – im Gegensatz zur amerikanischen – auch ausländische Journalisten zugelassen. Putin hat bei der Pressekonferenz selbst ausgesucht, wem er das Wort erteilt und das nicht seinen Sprecher machen lassen.

Beginn der Übersetzung:

Putin: Liebe Freunde, meine Damen und Herren, guten Tag!

Ich stehe zu Ihrer Verfügung. Ich denke, es ist nicht nötig, lange Vorbemerkungen zu machen. Die Themen sind wohl jedem bekannt: strategische Stabilität, Cybersicherheit, regionale Konflikte, Handelsbeziehungen, und wir haben auch über die Zusammenarbeit in der Arktis gesprochen.

Bitte, Ihre Fragen.

Frage: Guten Abend.

Können Sie uns sagen, welche Themen Sie am intensivsten diskutiert haben? Insbesondere die Ukraine interessiert mich sehr – in welchem Zusammenhang wurde sie besprochen, wurde die Situation im Donbass und eine Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO diskutiert?

Und noch etwas: Vor den Gesprächen gab es große Erwartungen im Zusammenhang mit der Rückkehr der Botschafter beider Länder in ihre Hauptstädte. Insbesondere Ihr Mitarbeiter Juri Uschakow sagte, dass dies möglich sei. Wurden derartige Entscheidungen bereits getroffen? Und wie sind die Verhandlungen insgesamt verlaufen?

Danke.

Putin: Was die Rückkehr der Botschafter an ihre Dienstorte betrifft – des US-Botschafters nach Moskau bzw. des russischen Botschafters nach Washington: Wir haben vereinbart, dass diese Frage geklärt ist und sie an ihren ständigen Dienstort zurückkehren werden. Ob das morgen oder übermorgen sein wird, ist eine rein technische Frage.

Wir haben auch vereinbart, dass das russische Außenministerium und das US-Außenministerium sich über alle Aspekte der diplomatischen Zusammenarbeit beraten werden. Es gibt eine Menge zu besprechen. Mir scheint, dass beide Seiten, auch die amerikanische Seite, entschlossen sind, eine Lösung zu finden.

Was die Ukraine betrifft, ja, das Thema wurde berührt. Ich kann nicht sagen, dass das sehr ausführlich gewesen wäre. Aber soweit ich Präsident Biden verstanden habe, stimmt er zu, dass das Minsker Abkommen die Grundlage für die Regelung im Südosten der Ukraine darstellen sollte.

Was den möglichen Beitritt der Ukraine zur NATO betrifft – dieses Thema wurde gestreift. Hier gibt es wohl nichts zu besprechen.

Im Großen und Ganzen war es ungefähr so.

Frage: Herr Präsident, Sie sagten, eines der Themen war die strategische Stabilität. Können Sie uns genauer sagen, wie die Entscheidungen zu diesem Thema aussehen? Werden Russland und die Vereinigten Staaten die Gespräche über strategische Stabilität und Abrüstung und insbesondere über NEW-START wieder aufnehmen oder beginnen? Gibt es Pläne, Verhandlungen über seine weitere Verlängerung aufzunehmen, vielleicht um seine Parameter zu überprüfen oder generell einen neuen Vertrag in diesem Bereich zu unterzeichnen?

Danke.

Putin: Sowohl die Vereinigten Staaten als auch die Russische Föderation haben angesichts der Tatsache, dass wir die beiden größten Atommächte sind, was die Anzahl der Sprengköpfe und Trägersysteme unserer Atomwaffen angeht, eine besondere Verantwortung für die strategische Stabilität in der Welt. Wir sind uns dieser Verantwortung bewusst.

Ich denke, es ist jedem klar, dass Präsident Biden die verantwortungsvolle und aus unserer Sicht absolut zeitgemäße Entscheidung getroffen hat, den NEW-START-Vertrag um fünf Jahre, also bis 2024, zu verlängern.

Das wirft natürlich die Frage auf, was als nächstes kommt. Wir haben vereinbart, dass wir Konsultationen auf interministerialer Ebene unter der Schirmherrschaft des US-Außenministeriums und des russischen Außenministeriums beginnen werden. Die Kollegen auf der Arbeitsebene entscheiden über die Zusammensetzung dieser Delegationen sowie über den Ort und die Häufigkeit dieser Treffen.

Frage: Guten Abend! Matthew Chance, CNN.

Danke, dass Sie mir das Wort erteilt haben.

Könnten Sie zunächst einmal beschreiben, wie Ihr Treffen mit Präsident Biden insgesamt verlaufen ist? War es konstruktiv oder war es feindselig?

Zweitens zu den Cyber-Attacken: Haben Sie darüber gesprochen? Haben Sie Zusagen zum Thema Cyber und zur Ukraine gemacht?

Putin: Das erste ist eine allgemeine Einschätzung. Ich glaube, es gab keine Feindseligkeit. Im Gegenteil, unser Treffen fand natürlich in einer prinzipiellen Art und Weise statt, in vielen Positionen gehen unsere Einschätzungen auseinander, aber meiner Meinung nach haben beide Seiten den Wunsch gezeigt, sich gegenseitig zu verstehen und nach Wegen zu suchen, um die Positionen anzunähern. Das Gespräch war sehr konstruktiv.

Im Hinblick auf die Cybersicherheit haben wir vereinbart, dass wir Konsultationen zu diesem Thema aufnehmen werden. Meiner Meinung nach ist das extrem wichtig.

Jetzt dazu, wer welche Verpflichtungen übernehmen soll. Ich möchte Sie über Dinge informieren, die eigentlich allgemein bekannt sind, wenn auch nicht der breiten Öffentlichkeit. Amerikanische Quellen – ich möchte die Namen der Organisationen nicht verwechseln, (mein Pressesprecher) Peskow wird sie Ihnen später sagen – weisen darauf hin, dass die größte Anzahl von Cyberangriffen in der Welt aus dem US-Cyberspace kommt. An zweiter Stelle steht Kanada, gefolgt von zwei lateinamerikanischen Ländern, dann das Vereinigte Königreich. Russland steht nicht auf dieser Liste der Länder, aus deren Cyberspace die meisten Cyberangriffe jedweder Art gestartet werden, wie Sie sehen können. Das ist das Erste.

Zweitens: Im Laufe des Jahres 2020 haben wir 10 Anfragen von den Vereinigten Staaten bezüglich Cyberangriffen auf Einrichtungen der Vereinigten Staaten erhalten, die – wie unsere US-Kollegen gesagt haben – aus dem russischen Cyberspace gekommen sind. Zwei solcher Anfragen gab es in diesem Jahr. Alle – sowohl die aus dem letzten Jahr als auch aus diesem Jahr – wurden von den russischen Kollegen umfassend beantwortet.

Russland seinerseits hat im vergangenen Jahr 45 solcher Anfragen an die zuständige US-Behörde geschickt, und 35 in der ersten Hälfte dieses Jahres. Wir haben noch keine einzige Antwort erhalten. Das zeigt, dass wir noch viel Arbeit vor uns haben.

Die Frage, wer in welchem Umfang und worüber Verpflichtungen eingehen soll, muss im Laufe des Verhandlungsprozesses entschieden werden. Wir haben vereinbart, dass wir solche Konsultationen beginnen werden. Wir glauben, dass Cybersicherheit für die Welt im Allgemeinen und für die Vereinigten Staaten im Besonderen extrem wichtig ist, und für Russland in gleichem Maße.

Wir wissen zum Beispiel von Cyberangriffen auf das Pipeline-Unternehmen in den Vereinigten Staaten. Wir wissen auch, dass das Unternehmen gezwungen wurde, fünf Millionen an die Erpresser zu zahlen. Ein Teil des Geldes wurde nach meinen Informationen bereits aus den elektronischen Geldbörsen zurückgewonnen, ein anderer Teil noch nicht. Was hat das mit russischen Behörden zu tun?

Wir sind mit den gleichen Bedrohungen konfrontiert. Insbesondere, zum Beispiel, der Angriff auf das Gesundheitssystem einer großen Regionen der Russischen Föderation. Wir sehen natürlich, woher die Angriffe kommen, wir sehen, dass diese Arbeit aus dem US-Cyberspace aus koordiniert wird. Ich glaube nicht, dass die Vereinigten Staaten, die offiziellen Stellen, an dieser Art von Manipulation interessiert sind. Wir müssen nur alle Unterstellungen beiseite schieben und uns auf der Expertenebene zusammensetzen und anfangen, im Interesse der Vereinigten Staaten und der Russischen Föderation zu arbeiten. Wir haben uns im Prinzip darauf geeinigt und Russland ist dazu bereit.

(Putin will die nächste Frage zulassen, aber die CNN-Journalistin protestiert)

Geben Sie Ihr nochmal das Mikrofon, anscheinend habe ich einen Teil der Frage nicht beantwortet.

Frage: Ja, vielen Dank.

Haben Sie sich verpflichtet, die Drohungen gegen die Ukraine einzustellen? Sie wissen, dass es Manöver der Russischen Föderation gegeben hat.

Und der zweite Teil der Frage: Haben Sie sich verpflichtet, die Angriffe auf die Opposition in Russland zu stoppen, in Bezug auf Alexej Nawalny?

Putin: Diesen Teil der Frage habe ich nicht gehört. Entweder wurde er nicht übersetzt, oder Sie haben beschlossen, eine zweite Frage zu stellen.

Was die Verpflichtungen in Bezug auf die Ukraine betrifft. Wir haben nur eine Verpflichtung – die Umsetzung des Minsker Abkommens zu ermöglichen. Wenn die ukrainische Seite dazu bereit ist, werden wir diesen Weg zweifelsohne gehen.

Übrigens, ich möchte Sie auf Folgendes aufmerksam machen: Bereits im November letzten Jahres präsentierte die ukrainische Delegation ihre Vorstellungen, wie ihrer Meinung nach das Minsker Abkommen umgesetzt werden sollte. Bitte sehen Sie sich das Abkommen an; es ist kein geheimes Dokument. Im Minsker Abkommen steht, dass zunächst einmal Vorschläge zur politischen Integration des Donbass in das ukrainische Rechtssystem und die Verfassung unterbreitet werden müssen, und dazu muss die Verfassung selbst geändert werden, so steht es da. Und zweitens, dass die Grenze zwischen der Russischen Föderation und der Ukraine entlang der Donbass-Linie am Tag nach den Wahlen von ukrainischen Grenztruppen übernommen wird, so steht es in Artikel 9 des Abkommens.

Was hat die Ukraine vorgeschlagen? Sie hat als ersten Schritt vorgeschlagen, die ukrainischen Streitkräfte an ihre Einsatzorte im Donbass zurückzubringen. Was bedeutet das? Es bedeutet, dass ukrainische Truppen in den Donbass gehen sollen, das ist das Erste. Zweitens: Kiew hat vorgeschlagen, diesen Teil der Grenze zwischen Russland und der Ukraine zu schließen. Drittens: Die Wahlen sollen drei Monate nach diesen beiden Schritten stattfinden.

Man muss kein Jurist sein oder eine besondere Ausbildung haben, um zu verstehen, dass das nichts mit dem Minsker Abkommen zu tun hat. Das widerspricht dem Minsker Abkommen vollständig. Welche zusätzlichen Verpflichtungen kann Russland hier also übernehmen? Ich denke, die Antwort ist klar.

Was die Manöver angeht, so führen wir Manöver auf unserem Territorium durch, so wie die Vereinigten Staaten viele Manöver auf ihrem Territorium durchführen. Aber wir halten keine Manöver ab, die unsere Ausrüstung und Truppen bis an die Grenzen der USA bringen. Leider machen unsere amerikanischen Partner das genau jetzt. Es ist also nicht die amerikanische Seite, die darüber besorgt sein sollte, sondern die russische Seite. Das ist auch ein Thema für Gespräche.

Nun zu unserer nicht-systemischen Opposition und dem von Ihnen erwähnten Bürger. Zunächst einmal wusste dieser Mann, dass er gegen russisches Recht verstößt. Er war als Person, die zu zwei Bewährungsstrafen verurteilt worden war, verpflichtet, sich regelmäßig bei der Polizei zu melden. Er hat bewusst, das möchte ich betonen, dieser Herr hat diese gesetzlichen Vorschriften bewusst ignoriert, als er ins Ausland gegangen ist. Die Behörden haben seine Meldepflicht für die Zeit seiner Behandlung ausgesetzt. Sobald er aus dem Krankenhaus entlassen war und seine Videos ins Internet gestellt hat, war die Meldepflicht wieder in Kraft. Er hat sich nicht gemeldet, hat die gesetzlichen Vorschriften ignoriert und wurde auf die Fahndungsliste gesetzt. Er wusste das und kehrte zurück. Ich gehe davon aus, dass er die Festnahme bewusst provoziert hat. Er hat getan, was er tun wollte. Was gibt es hier also zu besprechen?

Was Leute wie ihn und die systemische Opposition insgesamt betrifft, so erlaubt uns das Format der Pressekonferenz leider nicht, darüber im Detail zu sprechen, aber ich möchte Folgendes sagen. Sehen Sie, ich glaube nicht, dass ich etwas Kompliziertes sage, es wird verständlich sein. Wenn Sie es für möglich halten, Ihren Zuschauern und Zuhörern das objektiv vermitteln zu können, wäre ich Ihnen dafür sehr dankbar.

Also, die Vereinigten Staaten haben Russland zum Feind und Gegner erklärt, der Kongress hat das 2017 getan. In die Gesetze der Vereinigten Staaten wurden Bestimmungen darüber eingefügt, dass die Vereinigten Staaten die Regeln und Verfahren der demokratischen Regierungsführung in unserem Land und politische Organisationen unterstützen müssen. Das steht in Ihrem Gesetz, einem US-Gesetz. Stellen wir uns nun eine Frage: Wenn Russland der Feind ist, welche Organisationen wird Amerika in Russland unterstützen? Ich denke, das sind keine Organisationen, die die Russische Föderation stärken, sondern Organisationen, die sie schwächen, und das ist das öffentlich erklärte Ziel der Vereinigten Staaten. Das sind also Organisationen und Personen, die die US-Politik gegenüber Russland unterstützen sollen.

Wie sollen wir damit umgehen? Ich denke, es ist klar: Wir sollten dies mit Vorsicht behandeln. Aber wir werden ausschließlich im Rahmen des russischen Rechts handeln.

Frage: Pavel Zarubin, VGTRK.

Ich wollte genau dieses Thema fortsetzen. Wir alle haben bei vielen Gelegenheiten die ständige Rhetorik von amerikanischer Seite über so genannte politische Gefangene in Russland miterlebt. Wurde das Thema Navalny bei Ihren Gesprächen mit Biden überhaupt besprochen? Und wie wurde es besprochen, wenn überhaupt?

Und noch eine wichtige Frage. Natürlich haben wir alle miterlebt, dass die sozusagen neue Etappe in den russisch-amerikanischen Beziehungen zu Beginn von Bidens Präsidentschaft mit einigen sehr groben Bemerkungen über Sie begann. Ist es gelungen, zu dem Thema etwas zu klären?

Vielen Dank.

Putin: Präsident Biden hat die Menschenrechte und die Menschen angesprochen, von denen sie meinen, sie würden diese Themen in der Russischen Föderation vertreten. Ja, darüber haben wir auf seine Initiative hin gesprochen, das ist das Erste.

Zweitens zu den harschen Aussagen. Was soll ich sagen? Wir alle kennen diese Aussagen. Danach rief mich Präsident Biden an und wir erklärten uns. Ich war mit diesen Erklärungen zufrieden. Er schlug vor, dass wir uns treffen – es war seine Initiative. Wir haben uns getroffen und, ich wiederhole, das Gespräch war sehr konstruktiv. Ich habe mich wieder einmal davon überzeugen können, dass Präsident Biden ein sehr erfahrener Mann ist, das ist ganz offensichtlich. Wir haben fast zwei Stunden lang von Angesicht zu Angesicht mit ihm gesprochen. Nicht alle Staatsführer sind in der Lage, ein solch ausführliches Gespräch zu führen.

Was die verschiedenen Anschuldigungen angeht, erinnern Sie sich: Seinem Vorgänger wurde die gleiche Frage gestellt, er hat widersprochen. Der amtierende US-Präsident entschied sich, so zu antworten, wie er es getan hat, und seine Antwort war anders als die von Mr. Trump.

Sie wissen, dass im Prinzip für alles, was in unseren Ländern passiert, auf die eine oder andere Weise die politische Führung und die Präsidenten verantwortlich sind – wer woran wie schuld trägt, wer ein Mörder ist. Schauen Sie sich nur die Tatsache an, dass jeden Tag Menschen auf den Straßen amerikanischer Städte getötet werden und das schließt auch Führer verschiedener Organisationen ein. Kaum sagt man dort ein Wort, schon wird einem in die Brust oder in den Rücken geschossen. Egal, ob man Kinder dabei hat oder alleine ist – ich erinnere mich, dass eine Frau ihr Auto verließ, wegrannte und in den Rücken geschossen wurde. Okay, das ist Kriminalität. Nehmen wir Afghanistan: Einst haben sie 120 Menschen mit einem einzigen Schlag getötet, sie haben eine Hochzeiten vernichtet. Sagen wir, das war ein Versehen, das kommt auch vor. Aber Zivilisten im Irak aus Drohnen oder Hubschraubern zu erschießen – was ist das? Wer ist dafür verantwortlich? Wer ist ein Mörder?

Oder die Menschenrechte. Hören Sie mir zu, Guantanamo arbeitet immer noch. Das entspricht überhaupt nichts: nicht dem internationalen Recht, nicht dem amerikanischen Recht – keinem, und es existiert trotzdem. Die CIA-Gefängnisse, die in verschiedenen Ländern, auch europäischen Staaten, eröffnet wurden, in denen gefoltert wurde – was ist das? Sind das die Menschenrechte? Ich denke nicht, oder?

Es ist unwahrscheinlich, dass irgendjemand hier im Saal zustimmen würde, dass die Menschenrechte so geschützt werden. Das ist aber die Praxis in der realen Politik. Ausgehend von dieser Praxis und wissend, dass dies geschehen ist und geschehen kann, haben wir unsere eigene Einstellung zu dem, worüber ich gerade gesprochen habe, auch zu denen, die Geld aus dem Ausland erhalten, um die Interessen derer zu verteidigen, die sie bezahlen.

Frage: Murad Gazdiyev, RT.

Eine Frage zur Arktis. Sie sagten, dass Sie darüber gesprochen haben.

Die USA und ihre Verbündeten werfen Russland seit langem vor, die Arktis zu militarisieren. Vor kurzem, im Mai, hörten wir von Minister Blinken von seiner Besorgnis über die Aktionen des russischen Militärs. Was genau wurde dazu besprochen?

Putin: Ja, wir haben dieses Thema sehr ausführlich gesprochen. Das ist ein sehr wichtiges und interessantes Thema, wenn man bedenkt, dass die Entwicklung der Arktis im Allgemeinen und des Nördlichen Seewegs im Besonderen für die Volkswirtschaften vieler Länder, auch außerhalb der Region, von großem Interesse sind.

Diese Bedenken seitens der Vereinigten Staaten über die Militarisierung sind absolut unbegründet. Wir machen dort nichts, was nicht auch in der Sowjetunion gemacht wurde. Wir stellen die Infrastruktur wieder her, die einst völlig verfallen ist. Ja, wir modernisieren die militärische Infrastruktur und die Grenzinfrastruktur und das, was es da bisher nicht gab: Infrastruktur im Zusammenhang mit dem Naturschutz. Wir schaffen Basen für das Katastrophenschutzministerium, also die Möglichkeit, Menschen auf See zu retten, wenn sie – was Gott verhüten möge – in Not geraten, und um die Umwelt zu schützen.

Ich habe unseren Kollegen gesagt, dass ich hier keinen Grund für Bedenken sehe. Im Gegenteil, ich bin der festen Überzeugung, dass wir in dieser Richtung zusammenarbeiten können und sollten. Russland ist, wie die USA, eines der acht Mitglieder des Arktischen Rates. Russland hat in diesem Jahr den Vorsitz im Arktischen Rat inne. Außerdem gibt es die bekannte Meerenge zwischen Alaska und Tschukotka: Die Vereinigten Staaten liegen auf der einen Seite und Russland auf der anderen. All dies zusammen sollte uns ermutigen, unsere Kräfte zu bündeln.

Die Nutzung der Nördlichen Seeroute ist durch internationales Recht geregelt. In der Tat gibt es zwei Hauptinstrumente: das Seerechtsübereinkommen von 1982, glaube ich, und den Polarcode, der aus mehreren Dokumenten besteht und 2017 ratifiziert wurde. Ich habe unsere Partner darauf aufmerksam gemacht, dass wir, Russland, die Absicht haben, diese internationalen Rechtsnormen vollständig einzuhalten. Wir haben nie gegen eine dieser Bestimmungen verstoßen.

Wir sind bereit, alle interessierten Länder und Unternehmen bei der Entwicklung des Nördlichen Seewegs zu unterstützen. Jetzt heißt es, dass man da problemlos sechs Monate im Jahr Schifffahrt betreiben kann, aber in Wirklichkeit sind es mehr, und da sich das Klima ändert, wird sie praktisch das ganze Jahr über befahrbar sein, wenn unsere neuen Eisbrecher, einschließlich der „Leader“ in Betrieb genommen werden. Russland verfügt über die stärkste nukleare Eisbrecherflotte der Welt. In diesem Bereich gibt es eine große Nachfrage.

Ich möchte Sie daran erinnern, dass das Seerechtsübereinkommen den rechtlichen Rahmen der globalen Gewässer festlegt, insbesondere die Binnengewässer, das Binnenmeer, die Küstengewässer, das angrenzende Meer, die ausschließliche Wirtschaftszone und die freie hohe See. Das Binnenmeer ist das, was gewissermaßen innerhalb eines Landes liegt. Dann kommen die Küstengewässer – 12 nautische Meilen, dann das angrenzende Meer – plus weitere 12 nautische Meilen. In den Küstengewässern ist der Küstenstaat verpflichtet, die friedliche Durchfahrt zu gewähren, auch für Kriegsschiffe. Haben wir etwas dagegen? Wir sind dafür.

Was das Binnenmeer betrifft, so gibt es da eine Sonderregelung, und wir sind nicht verpflichtet, irgendetwas zu gewähren. Zu Ihrer Information: Es gibt fünf solcher Binnenseegebiete: Den Golf von Ob, die Jenissei-Bucht und so weiter – insgesamt fünf Buchten, oder Förden, wie wir sie nennen. Die Gesamtlänge dieser Route beträgt fast eintausend Seemeilen, 960 Meilen, glaube ich. Es ist unser souveränes Recht, Schiffe dort durchzulassen oder nicht. Aber wir missbrauchen dieses Recht nicht, wir erlauben jedem die Durchfahrt, der das möchte.

Wir hatten letztes Jahr 1.000 Anfragen. Ich glaube, es wurden nur zehn abgelehnt, und dabei handelte es sich zumeist um Schiffe unter russischer Flagge, die nach Ansicht unserer zuständigen Aufsichtsbehörden nicht den Anforderungen des Polar-Codes entsprachen. Und der Polar Code wiederum definiert die Qualität bzw. Anforderungen an die Schiffe und das technische an Bord.

Wenn wir alle zusammenarbeiten, die interessierten Länder und vielleicht vor allem der Mitgliedsländer des Arktischen Rates, um all diese Fragen zu lösen – und es gibt Fragen, die zusätzliche Überlegungen erfordern -, habe ich keinen Zweifel daran, dass wir für alles Lösungen finden werden, für alles. Ich sehe kein einziges Problem, das wir nicht lösen könnten.

Frage: Guten Tag, Herr Präsident!

Gute oder zumindest nicht schlechte Beziehungen zwischen Russland und Amerika waren schon immer ein Garant für globale Stabilität und Frieden. Wir haben jetzt die Art von Beziehung, wie Sie sie vor diesem Treffen beschrieben haben. Biden hat Ihnen zugestimmt. Jetzt sagen Sie: Gegenseitiger Respekt, ausreichend Ruhe und Wärme waren die Begleiter in diesem Gespräch.

Vor dem Treffen sprachen Sie über „rote Linien“, über das russische Verständnis der „roten Linien“. Offensichtlich haben auch die Amerikaner „rote Linien“. Konnten Sie sich hier auf eine „Nichtübertretungs“-Politik der roten Linien einigen? Das gilt für alles, für alle Belange, eine „Nichtübertretung“ würde unsere Beziehungen verbessern oder zumindest stabilisieren.

Danke!

Putin: Ich kann Ihnen sagen, dass wir im Großen und Ganzen verstehen, was unsere amerikanischen Partner meinen, und sie verstehen, was wir meinen, wenn wir von roten Linien sprechen.

Ich muss Ihnen offen sagen, dass wir natürlich nicht so weit gegangen sind, die Dinge im Detail zu betonen und aufzuteilen. Aber wenn man bedenkt, dass wir bei diesen Konsultationen vereinbart haben, an der Cybersicherheit und der strategischen Stabilität zu arbeiten, wie übrigens auch an der gemeinsamen Arbeit in der Arktis und in einigen anderen Bereichen, denke ich, dass all dies allmählich zum Gegenstand unserer Gespräche und, wie ich hoffe, Vereinbarungen werden sollte.

Frage (amerikanischer Journalist): Vielen Dank, dass Sie sich bereit erklärt haben, zu antworten.

Biden hat wiederholt gesagt, dass er auf die Cyberangriffe aus Russland reagieren wird, wenn sie nicht aufhören. Wenn es kein Geheimnis ist, was hat er gesagt? Irgendwelche Drohungen vielleicht? Was werden die USA tun, wenn Russland nicht aufhört?

Und eine Frage zu Alexej Navalny. Seine Anti-Korruptions-Stiftung wurde verboten, sie wurde zu einer extremistischen Organisation erklärt, und jeder, der bei ihr mitarbeitet, kann nicht nicht zur Wahl nominiert werden. Warum haben Sie Angst davor? Und wovor haben Sie Angst?

Putin: Ich werde wiederholen, was ich zuvor über die so genannten ausländischen Agenten aller Art und über Leute, die sich als nicht-systemische Opposition positionieren, gesagt habe. Ich habe Ihrer Kollegin bereits geantwortet, ich glaube, sie war von CNN, aber anscheinend entspricht es den Regeln Ihres Genres, noch einmal die gleiche Frage zu stellen. Bitte, ich werde sie gerne nochmal beantworten.

Die Vereinigten Staaten haben ein Gesetz verabschiedet, in dem die USA angekündigt haben, bestimmte politische Organisationen in Russland zu unterstützen, gleichzeitig haben sie die Russische Föderation zum Feind erklärt und öffentlich gesagt, dass sie die Entwicklung Russlands einschränken würden. Welche politischen Organisationen sollten die USA und andere westliche Länder in Russland also unterstützen, die sie auch noch dafür bezahlen? Natürlich haben wir sie, wie die Amerikaner seit den 1930er Jahren, zu ausländischen Agenten erklärt, aber es ist ihnen nicht verboten, im Land zu arbeiten.

Zum ausländischen Agenten erklärt zu werden, hindert eine Organisation nicht daran, zu arbeiten. Wenn eine Organisation einen extremistischen Charakter hat, ist das eine andere Geschichte. Die von Ihnen erwähnte Organisation hat öffentlich zu Massenunruhen aufgerufen, hat öffentlich, was illegal ist, Minderjährige zu Demonstrationen aufgefordert – das ist nach russischem Recht verboten – und hat Anleitungen veröffentlicht, wie man zum Beispiel „Molotow-Cocktails“ baut, um sie gegen Ordnungskräfte einzusetzen, wobei sie persönliche Daten von Polizisten veröffentlicht haben.

Amerika hat nach dem Mord an einem afroamerikanischen Mann und der Entstehung der „Black Lives Matter“-Bewegung erst kürzlich schwerste Ereignisse erlebt. Ich werde das jetzt nicht kommentieren, ich möchte nur sagen, dass wir Pogrome gesehen haben, Gesetzesbrüche und so weiter – wir fühlen mit den Amerikanern und dem amerikanischen Volk, aber wir wollen nicht, dass sowas auf unserem Boden passiert, und wir werden alles tun, was wir können, um zu verhindern, dass das passiert. Es geht hier nicht um irgendeine Art von Angst.

(Putin will dem nächsten Journalisten das Wort geben, aber der westliche Journalist protestiert)

Möchten Sie etwas hinzufügen? Bitte. Geben Sie ihm das Mikrofon, bitte.

Frage: Sie haben die Frage nicht beantwortet. Schauen Sie, alle Ihre politischen Gegner wurden getötet oder ins Gefängnis geworfen. Ist das nicht ein Signal an die Gesellschaft, dass Sie keinen fairen politischen Wettbewerb wollen?

Putin: Zu der Frage, wer getötet oder eingesperrt wird. Nach den Wahlen drangen Menschen mit politischen Forderungen in den US-Kongress ein. Gegen 400 Personen wurden Strafverfahren eingeleitet, ihnen drohen Haftstrafen von bis zu 20, vielleicht sogar bis zu 25 Jahren. Sie werden zu inländischen Terroristen erklärt und verschiedener anderer Verbrechen beschuldigt. Siebzig wurden unmittelbar nach diesen Ereignissen verhaftet und 30 von ihnen befinden sich immer noch in Untersuchungshaft. Es ist auch nicht klar, aus welchen Gründen, da uns niemand von den offiziellen US-Behörden darüber informiert. Mehrere Menschen starben dort, eine der Teilnehmerinnen wurde von einem Polizisten einfach auf der Stelle erschossen, wobei sie den Polizisten nicht mit einer Waffe bedroht hat. In vielen anderen Ländern geschehen Dinge wie bei uns. Ich möchte noch einmal betonen: Wir haben Mitgefühl für das, was in den Vereinigten Staaten passiert ist, aber wir wollen nicht, dass das bei uns passiert.

Frage: Guten Tag!

Dmitry Laroux, Zeitung „Iswestija“.

Wurde mit der amerikanischen Seite eine Vereinbarung über die Rückkehr von Russen getroffen, die ihre Strafe in amerikanischen Gefängnissen verbüßen? Wenn ja, wann wird dies voraussichtlich geschehen?

Vielen Dank.

Putin: Wir haben darüber gesprochen. Präsident Biden hat dieses Thema im Hinblick auf US-Bürger, die in der Russischen Föderation inhaftiert sind, angesprochen, und wir haben darüber gesprochen. Da können gewisse Kompromisse gefunden werden. Das russische Außenministerium und das US-Außenministerium werden an dieser Frage arbeiten.

Frage: Guten Tag!

Mikhail Antonov, Fernsehsender Russiya-1.

Sie haben gesagt, dass Sie mit Biden über den Handel gesprochen haben, das ist wahrscheinlich die positivste Agenda, die es geben kann. Unternehmen in beiden Ländern sind an der Entwicklung interessiert. Welche Perspektiven sehen Sie dafür?

Danke.

Putin: Das liegt nicht an uns, das liegt auf der amerikanischen Seite. Wir führen ja keine Sanktionen ein. Ich denke, die Vereinigten Staaten haben nicht weniger verloren als Russland, nachdem bestimmte Wirtschafts- und Handelsbeschränkungen eingeführt wurden. Ja, es hat unsere Entwicklung in gewisser Weise beeinflusst, und in diesem Sinne haben die Vereinigten Staaten ihr Ziel, Russland auszubremsen, erreicht, aber das ist nicht kritisch. Das ist das Erste.

Das zweite ist das Interesse der amerikanischen Wirtschaft. Die größte Delegation auf dem Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg war die amerikanische Delegation mit 200 Personen. Als Folge der Sanktionen, auch für amerikanische Unternehmen, sind einige Amerikaner mit Verlusten aus Russland abgezogen und haben ihr Geschäft in die Hände ihrer Konkurrenten aus anderen Ländern gelegt; darüber haben wir oft gesprochen. Was ist also der Sinn? Es gibt praktisch keinen Sinn, dafür gibt es gibt Verluste.

Unser Handelsumsatz mit den Vereinigten Staaten beträgt jetzt, glaube ich, 28 Milliarden Dollar. Im ersten Quartal dieses Jahres wuchs er um 16,5 Prozent. Wenn dieser Trend anhält, denke ich, dass alle davon profitieren werden. Wir haben darüber gesprochen.

Frage: Anne Simmons, The Wall Street Journal.

Herr Präsident, vielen Dank für die Möglichkeit, eine Frage zu stellen.

Sie haben sich vor ein paar Jahren mit Präsident Biden getroffen, als er Vizepräsident war. Er sagte, er habe Ihnen in die Augen gesehen und dort keine Seele gesehen. Sie sagten: „Das bedeutet, dass wir uns verstehen.“

Sagen Sie mir bitte, haben Sie ihm in die Augen gesehen? Und was haben Sie gesehen? Haben Sie einen Mann gesehen, mit dem Sie arbeiten können? Hat Präsident Biden Sie ins Weiße Haus eingeladen? Wenn ja, haben Sie die Einladung angenommen?

Danke.

Putin: Präsident Biden hat mich nicht zu einem Besuch eingeladen. Ich habe eine solche Einladung auch nicht ausgesprochen. Mir scheint, dass die Bedingungen reif sein müssen für solche Besuche und Begegnungen.

Was den „Blick in die Seele“ betrifft, etwas zu sehen oder nicht zu sehen – das höre ich nicht zum ersten Mal. Um ehrlich zu sein, kann ich mich nicht an ein solches Gespräch erinnern, aber es ist möglich, dass es meiner Aufmerksamkeit irgendwie entgangen sein kann. Aber wenn Sie mich fragen, was für ein Gesprächspartner und Partner Präsident Biden ist, kann ich sagen, dass er ein sehr konstruktiver, ausgewogener Mann ist, und – wie ich es erwartet habe – ein sehr erfahrener, das merkt man sofort.

Er hat ein bisschen über seine Familie gesprochen, darüber, worüber seine Mutter mit ihm gesprochen hat – das sind wichtige Dinge. Sie scheinen keinen direkten Bezug zur Arbeit zu haben, aber dennoch zeigen sie das Niveau oder die Qualität seiner moralischen Werte. Das ist alles sehr ansprechend, und ich denke, wir haben insgesamt die gleiche Sprache gesprochen. Das bedeutet nicht unbedingt, dass wir uns in die Herzen und Augen schauen und uns ewige Liebe und Freundschaft schwören müssen – ganz und gar nicht. Wir verteidigen die Interessen unserer Länder und Völker, und diese Beziehungen sind vor allem immer pragmatischer Natur.

Andrej, bitte.

Frage: Andrej Kolesnikov, Zeitung „Kommersant“.

Herr Präsident, haben Sie als Ergebnis dieses Treffens neue Illusionen?

Putin: Ich hatte keine alten, und Sie sprechen von neuen. Woher haben Sie Illusionen? Es gibt keine Illusionen, und es kann auch keine geben.

Frage: Guten Tag!

Pavel Remnev, Fernsehsender Zvezda.

Herr Präsident, ebenfalls zwei Fragen. Haben Sie mit Präsident Biden über den globalen Klimawandel gesprochen?

Und die zweite Frage betrifft die US-Medien. Sie haben NBC kürzlich ein großes Interview gegeben. Finden Sie es fair, dass Sie den US-Medien Interviews geben, während die US-Präsidenten unseren Medien keine Interviews geben? Finden Sie die Wirkung dieser Interviews positiv, wenn Ihre Worte ständig verzerrt und, offen gesagt, repektlos mit Ihnen gesprochen wird?

Danke!

Putin: Wissen Sie, was Verzerrungen, Untertreibungen oder umgekehrt bestimmte Angriffe betrifft, so ist das heute die Praxis in den internationalen Beziehungen. Daran kann man nichts ändern, daran habe ich mich schon lange gewöhnt und wir alle leben seit Jahrzehnten damit.

Was die Frage anbelangt, wer welche Interviews gibt – es ist Sache des jeweiligen Staatschefs oder der jeweiligen Seite, zu entscheiden, ob sie den Menschen zusätzlich etwas mitteilen wollen. Wir versuchen das zu tun, meine Interviews mit der amerikanischen Presse hängen genau damit zusammen.

Was die Aktivitäten unserer Medien insgesamt betrifft: Präsident Biden hat zum Beispiel eine Frage über die Arbeit von Radio Liberty und Free Europe in Russland gestellt, die wir zu ausländischen Agenten erklärt haben. Ich habe den Eindruck, dass die Mitglieder der amerikanischen Delegation nicht wussten, dass – wir haben nur zwei solcher Medien, die für das ausländische Publikum arbeiten, Russia Today und Sputnik – die US-Seite die beiden zuvor in ihrem Land zu ausländischen Agenten erklärt und ihnen die Akkreditierung entzogen hat, und was wir daraufhin getan haben, war die Antwort. Gleichzeitig erfüllt Russia Today alle Anforderungen der US-Aufsichtsbehörde und der Gesetze, registriert sich dort entsprechend und so weiter, obwohl sie einige Probleme mit der Einstellung von Personal, mit finanziellen Transaktionen und so weiter haben.

Bei uns gibt es keine solchen Probleme und leider erfüllen die amerikanischen Medien die Anforderungen des russischen Gesetzes nicht vollständig.

Wir haben uns zu diesem Punkt erklärt. Ich hoffe, dass die Außenministerien auch in dieser Frage zusammenarbeiten können.

Frage: Galina Polonskaya, Euronews.

Wir haben alle gesehen, wie Sie Joe Biden gleich zu Beginn die Hand geschüttelt haben. Meine Frage ist: Ist es Ihnen gelungen, mit dem US-Präsidenten eine neue Ebene des gegenseitigen Verständnisses und vor allem des Vertrauens zu erreichen? Halten Sie es zu diesem Zeitpunkt für realistisch, eine neue Ebene der Beziehungen zu erreichen, damit sie absolut klar und transparent sind, wenn die beiden Länder diesen Punkt erreichen wollen?

Putin: Wissen Sie, Leo Tolstoi hat einmal gesagt: Es gibt kein Glück im Leben, es gibt nur Funken davon, hegen Sie sie. Ich glaube nicht, dass es in dieser Situation ein familiäres Vertrauen geben kann, aber ich denke, es gibt „Funken“ davon.

Frage: Ivan Blagoy, Pervyi Kanal.

Das Thema Coronavirus ist natürlich eines der wichtigsten Themen, die es derzeit auf dem Planeten gibt. Wurde dieses Thema mit dem amerikanischen Präsidenten besprochen? Wenn ja, welche Möglichkeiten gibt es, mit den Amerikanern zusammenzuarbeiten, um diese Krankheit zu bekämpfen? Vielleicht die gegenseitige Anerkennung von Impfstoffen?

Putin: Wir haben dieses Thema erwähnt, aber nur am Rande.

Wie Sie wissen, haben wir schon unter der vorherigen Regierung auf eine Anfrage der Vereinigten Staaten reagiert und sogar Ausrüstung als humanitäre Hilfe dorthin geschickt. Amerika ist ein großes, mächtiges Land, und es lag nicht daran, dass sie nicht genug Geld hatten, sondern sie brauchten damals dringend künstliche Beatmungssysteme. Wir haben das, wie Sie wissen, völlig uneigennützig getan. Wir sind bereit, auch in Zukunft in diesem Bereich zusammenzuarbeiten, aber wir haben heute nicht im Detail darüber gesprochen.

Frage: Vor drei Jahren haben Sie sich unter anderem mit Präsident Trump getroffen. Seit diesem Treffen haben sich die Beziehungen zwischen den beiden Ländern noch weiter verschlechtert. Gibt es Faktoren, die Sie hoffen lassen, dass sich so etwas nicht wiederholen wird? Haben wir in den Beziehungen zu den Vereinigten Staaten eine Untergrenze erreicht, von der aus wir uns nach oben stoßen können?

Danke.

Putin: Das ist jetzt schwer zu sagen, denn alle Aktionen, die die russisch-amerikanischen Beziehungen verschlechtert haben, wurden von der US-Seite initiiert, nicht von uns. Kongressabgeordnete sind einfallsreiche Leute, ich weiß nicht, was ihnen noch alles einfallen könnte.

Ja, bitte.

Frage: Alexander Gamow, „Komsomolskaja Prawda“.

Ich weiß nicht, ob Sie es wissen, unsere Mannschaft hat eben die Finnen geschlagen, das Ergebnis war 1:0.

Putin: Gut gemacht! Herzlichen Glückwunsch!

Frage: Wenn wir dieses Treffen mit Putin und Biden aus der gleichen Perspektive beurteilen, wie war dann das Ergebnis dieses Treffens?

Und eine zweite Frage. Bevor sie in Genf ankamen, sagten die Amerikaner fast jedem Tag, sie werden Druck auf Russland ausüben, sie werden Druck auf Putin ausüben. Haben Sie etwas von diesem Druck gespürt und wie sind Sie damit umgegangen? Das ist wahrscheinlich die Hauptfrage, an der Russland interessiert ist, wie mir scheint: Wie hat sich unser Putin in Genf verhalten?

Ich denke, das ist im Prinzip ausreichend.

Putin: Das denke ich auch.

Wir haben keinen Druck verspürt, obwohl das Gespräch direkt, offen und ohne unnötige diplomatische Abweichungen von den vorgegebenen Themen verlief. Ich wiederhole noch einmal: Es gab keinen Druck, weder von unserer noch von ihrer Seite, das ist auch sinnlos, dafür trifft man sich nicht.

Der erste Teil Ihrer Frage?

Frage: Das Ergebnis.

Putin: Das Ergebnis. Ich glaube, Präsident Biden hat vor unserem Treffen gesagt, dass dies kein sportlicher Wettkampf ist, und in diesem Sinne stimme ich ihm vollkommen zu. Was sollen wir hier tun, den Spielstand feststellen? Insgesamt war es ein produktives Treffen. Es war sachlich, es war konkret und es wurde in einer Atmosphäre durchgeführt, die sehr förderlich war, um Ergebnisse zu erzielen und das Hauptergebnis war der Vertrauensfunke, über den wir mit Ihrer Kollegin von Euronews gesprochen haben.

BBC News, bitte.

Frage: Vielen Dank.

Stephen Rosenberg, BBC News.

Herr Präsident, Joe Biden fordert stabile und berechenbare Beziehungen zu Russland. Aber im Westen meint man, dass Unberechenbarkeit ein Merkmal der russischen Außenpolitik ist. Sind Sie bereit, die Unberechenbarkeit um der Verbesserung der Beziehungen zum Westen willen aufzugeben?

Danke.

Putin: Sie sind ein großer Kompilator und haben darin Ihre bekannte, hohe Kunst erreicht, man kann Sie beneiden. Der erste Teil Ihrer Frage: Im Westen meint man… Und der zweite Teil der Frage: Sind Sie bereit, das aufzugeben? Bloß weil man im Westen so denkt, heißt das nicht, dass es wahr ist.

Erlauben Sie mir, zunächst den ersten Teil Ihrer Frage beantworten. Sie sagten, dass man im Westen denkt, dass die russische Außenpolitik unberechenbar ist. Erlauben Sie mir, Ihnen den Ball zurückzuspielen. Der Ausstieg der USA aus dem ABM-Vertrag im Jahr 2002 war völlig unberechenbar. Wozu war es nötig, damit die Grundlage der internationalen Stabilität im Bereich der strategischen Sicherheit zerstören? Dann der Ausstieg aus dem IWF-Vertrag im Jahr 2019. Was ist daran stabil? Nichts ist daran stabil. Der Ausstieg aus dem Open-Skies-Vertrag – was ist daran stabil? Im Bereich der strategischen Stabilität existiert fast nichts mehr. Gott sei Dank hat Präsident Biden die absolut angemessene Entscheidung getroffen, NEW-START um fünf Jahre zu verlängern.

Wenn Sie die Situation mit der Ukraine nehmen, mit der Krim – davon reden doch alle, nicht wahr? Die Frage ist, was war stabil daran, den Staatsstreich in der Ukraine zu unterstützen, wenn der ehemalige Präsident Janukowitsch allen Forderungen der Opposition zugestimmt hat? Er war sogar bereit, zurückzutreten und drei Monate später Neuwahlen durchzuführen. Nein, es musste einen blutigen Staatsstreich geben, der zu den bekannten Folgen führte – damals im Südosten der Ukraine und auf der Krim.

Und Sie denken, wir verhalten uns unberechenbar? Nein, das glaube ich nicht. Meiner Meinung nach verhalten wir uns den Bedrohungen gegenüber, die sich für uns ergeben, absolut angemessen. Ich denke, damit die Lage wirklich stabil wird, müssen wir uns auf Verhaltensregeln in all den Bereichen einigen, die wir heute besprochen haben, einschließlich Sicherheit, Cybersicherheit und regionale Konflikte.

Ich habe den Eindruck, dass man sich in all diesen Fragen einigen kann, jedenfalls ist das der Eindruck, den ich heute bei meinem Treffen mit Präsident Biden gewonnen habe.

Lassen Sie uns das Wort an jemanden von den ausländischen Medien geben. Bloomberg, und damit enden wir für heute.

Frage: Bloomberg News, Ilya Arkhipov.

Herr Präsident, im Jahr 2016, nach dem Treffen mit Trump, wurden sehr schnell weitere US-Sanktionen beschlossen. Haben Sie in Ihren heutigen Gesprächen mit Joe Biden die Zusicherung erhalten, dass es in naher Zukunft keine Sanktionen von amerikanischer Seite gegen Russland geben wird?

Und zu dem Vertrauen, das Sie angesprochen haben. Haben Sie mehr Vertrauen in Biden in Bezug auf die Durchführbarkeit der ersten Vereinbarungen, über die Sie heute gesprochen haben? Dass er in der Lage sein wird, das zu tun, weil der US-Apparat jetzt als mehr auf der Linie des Präsidenten ist, als es während der Administration von Donald Trump der Fall war?

Und die Punkte, die Sie zu den Themen Cybersicherheit und Ukraine erwähnt haben: Ich verstehe nicht, wird es irgendwelche Cybersicherheits-Arbeitsgruppen geben, die eingerichtet werden? Und diese „roten Linien“, von denen Sie sprachen: Haben Sie sie konkret umrissen und können Sie sie uns auch mitteilen?

Danke!

Putin: Ich habe schon viele Male über „rote Linien“ gesprochen. Das Verständnis entsteht im Laufe der Verhandlungen über die wichtigsten Bereiche der Zusammenarbeit. Es hat keinen Sinn, sich gegenseitig Angst zu machen. Wenn sich Menschen treffen, um zu verhandeln, um Beziehungen aufzubauen, tut man das nicht, sonst gäbe es keinen Grund, sich zu treffen.

Was Sanktionen und wirtschaftliche Restriktionen angeht: Wie gesagt, wir wissen nicht, wie die innenpolitische Stimmung dort ist, wir kennen die Machtverhältnisse nicht, das heißt, wir kennen sie, aber wir können nicht im Detail verstehen, was dort vor sich geht. Es gibt Gegner der Entwicklung der Beziehungen zu Russland, es gibt Befürworter – welche Kräfte sich dort durchsetzen werden, kann ich nicht sagen.

Aber wenn nach unserem Treffen solche Schritte beginnen, wie 2016, würde das eine weitere verpasste Gelegenheit bedeuten.

Bitte, aber wir wollen zum Ende kommen.

Frage: Guten Abend!

Herr Präsident, vielen Dank.

Tamara Alteresco, Radio Kanada.

Sie haben meinen Kollegen gesagt: Sie möchten, dass man Ihnen ehrliche Fragen stellt, unvoreingenommene Fragen. Eine Frage von meiner neunjährigen Tochter. Ich ging auf diese Reise und sie fragte: „Was ist das für ein Gipfel? Warum ist er so wichtig?“ Was würden Sie einem neunjährigen Mädchen antworten? Antworten Sie mir, wie Sie meiner neunjährigen Tochter antworten würden. Warum ist das Verhältnis zwischen Russland und den Vereinigten Staaten so kompliziert? Sie will es wissen, ich will es wissen. Warum dürfen junge Menschen nicht protestieren, nicht auf die Straße gehen?

Putin: Es ist toll, dass sich Ihre neunjährige Tochter für diese Fragen interessiert. Die Antwort ist sehr einfach. Man muss sich umschauen und sagen: „Siehst du, wie schön diese Welt ist? Erwachsene Menschen, die Führer von zwei Ländern, den größten Atommächten, treffen sich, um diese Welt zu einem sicheren, wohlhabenden Zuhause für alle Menschen auf unserem Planeten zu machen. Sie werden die Probleme im Zusammenhang mit schrecklichen Waffen diskutieren, die begrenzt werden müssen, und gemeinsame Regeln für deren Nichteinsatz entwickeln. Sie werden über Umweltschutz reden, damit die Flüsse und die Meere sauber sind, es keine Überschwemmungen gibt, keine Dürren, so dass es genug Nahrung für alle Bewohner des Planeten gibt, egal wo sie leben. Sie werden über Gesundheitsfragen sprechen, damit die Kinder, wenn sie aufwachsen, weniger krank sind, damit sie lernen und mit Zuversicht in die Zukunft blicken können.“

Meine Damen und Herren, ich möchte Sie bitten, über unser heutiges Treffen im Lichte dieser Überlegungen zu berichten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Alles Gute!

Ende der Übersetzung

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

Ein Gedanke zu „Putins & Bidens Pressekonferenzen nach dem Genfer Gipfel im kompletten Wortlaut“

  1. Besten Dank für diese Übersetzung – das ist für mich sehr lehrreich. Und ich habe alles mit großer Aufmerksamkeit – und Neugier! – gelesen. Gut investierte Zeit.

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