
Warum der Staatssender „Deutschlandfunk“, die SZ, die FAZ, die TAZ , der PERLENTAUCHER dieses so wichtige Buch trotz Allem so positiv rezensieren, könnte daran liegen, dass Rossolinski-Liebe aktuell so Stellung bezieht:
„Der russische Krieg in der Ukraine“, so Rossolinski-Liebe, habe „die Weigerung, sich kritisch mit dem ukrainischen Nationalismus auseinanderzusetzen, noch verstärkt“. In Interviews verweist er darauf, „dass die Verherrlichung Banderas dem Kreml-Herrscher geschichtspolitische Munition für seinen Angriffskrieg“ liefere. Doch letztlich geht es (ihm)nicht um Putin, sondern darum, dass sich die Ukraine den dunklen Seiten ihrer Geschichte stellt …

Fackelzug von rechten Aktivisten und der OUN (Organisation Ukrainischer Nationalisten) zum 113. Geburtstag von Stepan Bandera am 1. Januar 2022 in Kiew © picture alliance/dpa/TASS / Anna Marchenko
Grzegorz Rossoliński‑Liebes Biografie über Stepan Bandera: Ein vernichtendes Porträt der Leitfigur des ukrainischen Faschismus
https://www.wsws.org/de/articles/2022/11/04/xfms-n04.html
Im Juli wurde Andrij Melnyk, der ukrainische Botschafter in Deutschland, abberufen, weil er in einem Interview mit einem deutschen Journalisten Bandera als „Freiheitskämpfer“ glorifiziert und damit einen öffentlichen Aufschrei ausgelöst hatte. Das war der faschistischen Führung in Kiew dann doch zu offen und gefährdete die weitere militärische Unterstützung durch die führenden EU-Kernstaaten, besonders die TAURUS-Lieferung.
In den Vereinigten Staaten spielt die New York Times, das Sprachrohr der Demokratischen Partei, die Verbrechen Banderas regelmäßig herunter. Glaubt man ihr, geht es bei der Kontroverse um sein Erbe lediglich um „abweichende Meinungen“. Über rechtsextreme Elemente in der Ukraine wie das Asow-Bataillon berichtet sie eher kritiklos.
Die reaktionäre Imagekampagne zugunsten einer der berüchtigtsten Figuren in der Geschichte des europäischen Faschismus wird durch einen erheblichen Mangel an historischem Wissen und Bewusstsein über Bandera und die völkermörderische Geschichte des ukrainischen Faschismus begünstigt. Dieser Mangel ist das Ergebnis jahrzehntelanger Bemühungen der imperialistischen Mächte, die Verbrechen der ukrainischen Faschisten, mit deren Nachfahren aus dem Zweiten Weltkrieg sie unter einer Decke stecken, zu vertuschen und zu beschönigen. …
( HaBE dazu eine Ergänzung:
Im Gegenteil: ab 1945 durfte Stepan Bandera in München zunächst unter der Obhut der CIA-Vorläufer, dann der CIA und anschließend auch unter der Obhut des BND die „Freie Ukrainische Universität“ aufbauen und Kader für einen „Regime-Change“ nach dem Vorbild des 17.Juni 1953 und des faschistischen Ungarn-Aufstands von 1956 ausbilden, die an von außen befeuerten und/oder geschaffenen sozialen/politischen Brüchen und Protest-Bewegungen ansetzend diese prowestlich umkehren sollten. Siehe dazu:
Wie es den Westmächten gelang, den 17. Juni gegen die DDR zu drehen – barth-engelbart.de
Gegen das FRgessen, FRschweigen, FRdrehen zum 17. Juni 1953 – barth-engelbart.de
US-Dienste für „bunte Revolutionen“ wollen einen 17.Juni im Iran schaffen – barth-engelbart.de )
… Tatsächlich gab es nach seiner Ermordung im Jahr 1959 mehr als fünfzig Jahre lang keine ernsthafte, wissenschaftliche Biografie über Bandera. Zum Glück änderte sich das 2014, als der deutsch-polnische Historiker Grzegorz Rossoliński‑Liebe (Freie Universität Berlin) sein umfassendes Werk Stepan Bandera: The Life and Afterlife of a Ukrainian Nationalist: Fascism, Genocide and Cult veröffentlichte.
Die Werbung schreibt:
Die erste fundierte Biographie des ukrainischen Nationalisten Stepan Bandera – und die erste eingehende Studie über den politischen Bandera-Kult
Grzegorz Rossolinski-Liebe beleuchtet das Leben einer heute mehr denn je umstrittenen Persönlichkeit und untersucht die Geschichte der gewalttätigsten ukrainischen nationalistischen Bewegung des 20. Jahrhunderts: der Organisation Ukrainischer Nationalisten und ihrer Ukrainischen Aufständischen Armee. Der Autor analysiert die Umstände, unter denen Stepan Bandera (1909-1959) seine Bewegung aufbaute und klärt auf, wie Faschismus und Rassismus deren revolutionären Nationalismus beeinflussten. Er zeigt, warum es Bandera und seinen Anhängern trotz ihrer ideologischen Ähnlichkeit mit der kroatischen Ustaša nicht gelang, einen kollaborierenden Staat unter der Schirmherrschaft NS-Deutschlands zu errichten und untersucht die Beteiligung ukrainischer Nationalisten am Holocaust und anderen Formen der Massengewalt.
Der Autor bringt so einige der dunkelsten Aspekte der modernen ukrainischen Geschichte ans Licht und zeigt ihre Komplexität auf, wobei er dem sowjetischen Terror in der Ukraine und der Verflechtung der ukrainischen, jüdischen, polnischen, russischen, deutschen und sowjetischen Geschichte besondere Aufmerksamkeit widmet.
https://www.perlentaucher.de/buch/grzegorz-rossolinski-liebe/stepan-bandera.html
Der Autor analysiert die Umstände, unter denen Bandera seine Bewegung aufbaute und klärt auf, wie Faschismus und Rassismus deren revolutionären Nationalismus beeinflussten. Er zeigt, warum es Bandera und seinen Anhängern trotz ihrer ideologischen Ähnlichkeit mit der kroatischen Ustaša nicht gelang, einen kollaborierenden Staat unter der Schirmherrschaft NS-Deutschlands zu errichten und untersucht die Beteiligung ukrainischer Nationalisten am Holocaust und anderen Formen der Massengewalt. Der Autor bringt so einige der dunkelsten Aspekte der modernen ukrainischen Geschichte ans Licht und zeigt ihre Komplexität auf, wobei er dem sowjetischen Terror in der Ukraine und der Verflechtung der ukrainischen, jüdischen, polnischen, russischen, deutschen und sowjetischen Geschichte besondere Aufmerksamkeit widmet.
Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 31.03.2025
Eine gute Einführung in das Leben Stepan Banderas und in die jüngere Geschichte des ukrainischen Nationalismus leistet dieses Buch schon, meint Rezensent Guido Hausmann, aber frei von Schwächen ist es nicht. Grzegorz Rossoliński-Liebe legt sein Buch laut Hausmann zwar als Bandera-Biografie an, tatsächlich aber kann man es auch als Beitrag zur Erforschung nationalistischer Strömungen in der Ukraine lesen, insbesondere geht es viel um die Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN), in die der zeitlebens nationalistisch gesonnene Bandera 1929 eintrat und die er, als begabter Redner, Taktiker und Organisator, bald leitete. Stark ist das Buch in seinen dichten Beschreibungen ukrainischer Nationalisten, ihrer zunehmenden ideologischen Radikalisierung und auch ihrer Brutalität, die sich vor allem Anfang der 1940er nicht nur gegen Polen, Russen und Juden, sondern auch gegen vermeintlich verräterische Ukrainer richtet, so der Kritiker. Weniger gut gefällt Hausmann, dass Rossoliński-Liebe sich kaum um die Gründe für den anwachsenden ukrainischen Nationalismus interessiert, auch kritisiert er, dass die ukrainische Bandera-Verehrung der Nachkriegszeit zu einseitig dargestellt wird, zum Beispiel erwähnt der Autor nicht, dass nicht nur Banderas Nationalisten, sondern auch exilierte ukrainische Sozialdemokraten gegen die Sowjetunion Stellung nahmen. Auch die Bandera-Renaissance nach 1991 hätte zumindest differenzierter dargestellt werden sollen, meint der mit dem Buch insgesamt gleichwohl nicht unzufriedene Rezensent, der selbst Historiker ist.
Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.02.2025
Interessant, aber fordernd ist die Lektüre dieses Buches über Stepan Bandera laut Rezensent Oliver Schmitt. Grzegorz Rossoliński-Liebe beschäftigt sich hier freilich, anders als der Titel ankündigt, weniger mit dem Leben Banderas, als mit der politischen Bewegung, der Organisation ukrainischer Nationalisten (OUN) mitsamt ihres bewaffneten Arms (UPA), stellt Schmitt klar. Entlang des Buches beschreibt er, wie die OUN unter Bandera gegen die polnische Herrschaft in der heutigen Westukraine kämpfte und dabei extreme nationalistische Positionen vertrat, die auf die Errichtung einer ethnisch homogenen Ukraine abzielten. Die Untaten der OUN/UPA während des Zweiten Weltkriegs, als die Organisation, die nach anfänglichen Sympathien auch den Nazis feindlich gesonnen war, gegen die Rote Armee kämpfte, verantwortete Bandera allerdings nicht direkt, stellt Schmitt mit Rossoliński-Liebe klar. Schließlich verbrachte er diese Zeit in deutschen Konzentrationslagern. Allerdings macht Rossoliński-Liebe Bandera insgesamt durchaus für die Brutalität der Organisation verantwortlich, da sein radikales Denken diese prägte. Auf die Nachkriegszeit, in der Bandera sich westlichen Geheimdiensten andiente und schließlich, was seinem Nachruhm zugute kam, vom russischen Geheimdienst ermordet wurde, geht das Buch laut Schmitt nicht allzu ausführlich ein. Insgesamt, so der Rezensent zum Schluss, entwirft Rossoliński-Liebe ein komplexes Bild der OUN/UPA, wobei die Lektüre für Nichtexperten durchaus anspruchsvoll ist, ein paar Kürzungen und eine klarere Struktur wäre von Vorteil gewesen.
Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 06.02.2025
Ein starkes, brisantes Buch über Stepan Bandera legt der Historiker Grzegorz Rossoliński-Liebe laut Rezensent Martin Sander vor. Entlang der Lektüre rekonstruiert der Kritiker, wie Bandera sich in jungen Jahren der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) anschließt und als deren Führer ab den 1930ern zu einem Vertreter des europäischen Faschismus wird, rassistisch und antisemitisch hetzt, das Ziel einer ethnisch einheitlichen Ukraine verfolgt. Kritiker wie auch Anhänger fallen seinem unnachgiebigen Führungsstil zum Opfer. In der Nachkriegszeit, nachdem die Sowjetunion die Westukraine besetzt hatte, gab er sich als geläuterter Demokrat und kooperierte mit westlichen Geheimdiensten, referiert Sander. Rossoliński-Liebe zeigt außerdem auf, wie Bandera von Russland für Gewalttaten gegen Ukrainer instrumentalisiert wird, lesen wir. Sander nimmt Rossoliński-Liebe diese detailliert dargebrachte Darstellung ab, spannend lese sich dieses quellenreiche Buch außerdem. Immer wieder „konfrontiert“ der Historiker die Gewaltgeschichte Banderas mit der der Sowjetunion, was das Buch mit Blick auf Putins Propaganda und die Rolle, die Bandera in ihr spielt, für den Rezensenten hochaktuell macht.
Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 04.02.2025
Seit der ehemalige ukrainische Botschafter Andrij Melnyk den radikal faschistischen ukrainischen Nationalisten Stepan Bandera wieder als Nationalhelden in Erinnerung rief, ist er auch hierzulande Thema. Umso wichtiger findet Rezensent Matthias Bertsch dieses Buch des deutsch-polnischen Historikers Grzegorz Rossolinki-Liebe, der Leben und Nachleben Banderas des OUN-Führers nachspürt und auf die „dunklen Seiten“ ukrainischer Geschichte blickt. Auf Grundlage viele Beispiele legt der Autor nicht nur dar, wie brutal die ukrainischen Nationalisten gegen alles kämpften, was nicht dem „Ideal eines ethnisch reinen Staates“ entsprach und wieviele Juden und Polen ermordet wurden. Zugleich liest Bertsch, wie grausam die sowjetischen Machthaber gegen echt und vermeintliche OUN-Anhänger vorgingen, um die Ukrainische Aufständische Armee zu zerschlagen. Mit Unterstützung westlicher Geheimnisse und des BND ging Banderas Kampf in München, wo er unter falschem Namen lebte, allerdings weiter – bis er vom sowjetischen Geheimdienst 1959 ermordet wurde, erfahren wir. Ein eindringliches Buch, das den Bandera-Kult bis 2010 beschreibt, meint der Kritiker, der allerdings ein wenig enttäuscht ist, dass er hier kaum erfährt, wie sich dieser Kult nach dem Krieg gegen die Ukraine verändert.
Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 21.12.2024
Rezensent Klaus Hillenbrand findet beeindruckend, wie Grzegorz Rossoliński-Liebe dem „Bandera-Kult“ den Wind aus den Segeln nimmt. Denn der in Berlin lehrende Historiker zeige anhand von einer „akribisch“ recherchierten Faktenlage überzeugend auf, dass der Anführer der nationalistischen ukrainischen Bewegung OUN zwar nicht als Alleinverantwortlicher für sämtliche durch die OUN verübte Pogrome an Juden und Polen gelten könne, aber noch weniger eben als ukrainischer Nationalheld und Märtyrer, der mit Hitler nichts zu schaffen gehabt hätte und zu dem er trotzdem noch oft hochstilisiert werde. So stehe die Beteiligung an und eigenmächtige Veranlassung von Massakern an Juden im Zuge der deutschen Besetzung der Ukraine 1941 außer Frage, wie Rossoliński-Liebe Flugblättern und offiziellen Anweisungen entnimmt. Grund für die Kollaboration sei auch die Hoffnung gewesen, Hitler würde die Gründung eines Nationalstaats genehmigen, liest Hillenbrand. Und auch über anderweitige Gewalttaten der OUN gegen die zu „Feinden“ erklärten „Moskowiter, Polen und Juden“ lege Rossoliński-Liebes Buch erschreckendes Zeugnis ab. Für den Kritiker eine lobenswert differenzierte und materialgesättigte Studie, die für ihn eher eine Geschichte der OUN als eine Bandera-Biografie ist, darin aber völlig überzeugt.
Osteuropäische Faschisten- Nationalisten und der Krieg in der Ukraine-
Zusammenarbeit der Faschisten- Massaker an der eigenen Bevölkerung – gegen Juden- Ukrainisch- faschistische Staatsgründung
Komm und sieh- der Kampf um unsere Sowjet- Ukraine – ein Dokumentarfilm aus 1943 – Ukrainische Wochenschau der Sowjet- Ukraine soll zum Kampf gegen diese Faschisten- Zusammenarbeit mobilisieren-
Wir zeigen diesen Film im Hamburger Osten im Laufe der nächsten Wochen – Komm und mach mit
Die dunklen Seiten der Geschichte Nach der Lektüre des Buches von Grzegorz Rossolinski-Liebe gehen einem diese Worte aber nicht mehr so leicht über die Lippen. In Stephen Bandera. Leben und Kult“ beschreibt der deutsch-polnische Historiker, wie die Wehrmacht Ende Juni 1941, eine Woche nach Beginn des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion, in Lemberg einmarschierte, dem heutigen Lwiw. In der multiethnischen Stadt lebten zu dieser Zeit neben 70 000 Ukrainern und 140 000 Polen rund 160 000 Juden, darunter viele jüdische Flüchtlinge, die aus dem von den Deutschen überfallenen Polen in die sowjetisch besetzten Gebiete geflohen waren.
Am Abend des folgenden Tages, dem 30. Juni, rief die Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) ebenfalls in Lemberg einen ukrainischen Staat aus, der sich später einer Regierung in Kyjiw unterordnen und eng mit dem „nationalsozialistischen Großdeutschland“ unter der Führung Adolf Hitlers zusammenarbeiten wolle. Diese Zusammenarbeit zeigte sich auch beim Pogrom, das am 1. und 2. Juli in Lemberg stattfand. Angestachelt durch Informationen über ein Massaker des sowjetischen Geheimdienstes NKWD, das dieser vor dem Rückzug aus der Stadt verübt hatte – und für das die Juden verantwortlich gemacht wurden -, zogen deutsche Soldaten sowie ukrainische Milizionäre und Bürger durch die Straßen und töteten 4000 bis 8000 Juden.

Fackelzug von rechten Aktivisten und der OUN (Organisation Ukrainischer Nationalisten) zum 113. Geburtstag von Stepan Bandera am 1. Januar 2022 in Kiew © picture alliance/dpa/TASS / Anna Marchenko
Die Arbeiterbewegung als Feindbild rechter und nationalistisch-völkischer Kreise
Der deutsche Faschismus sah in den Jüdinnen*Juden, dem Rassismus gegen die russisch- slawischen Untermenschen als Moment der Massenmobilisierung und in der sozialistischen Arbeiterbewegung ihre wesentlichen Feinde. In ihrer Propaganda stand – abhängig von Zeit und Zielgruppe – zeitweise eines der beiden Feindbilder im Vordergrund oder wurde im Feindbild des „jüdischen Marxismus“ oder „jüdischen Bolschewismus“ verbunden. Diese Feindbilder dienten der Hasspropaganda nach außen, der inneren Stabilisierung und nach der Machtübernahme 1933 der Begründung wesentlicher innen- und außenpolitischer Maßnahmen.
Mit der Bekämpfung der sich formierenden Arbeiterbewegung trat gleichzeitig die demagogische Verwendung der Begriffe „Marxismus“ oder „Kommunismus“ zur Diffamierung missliebiger politischer Positionen – eben im Sinne eines Feindbildes.
Kommunisten und Sozialisten als „Umstürzler“, „Vaterlandsfeinde“ und „Verräter der Nation“ aus Staat und Gesellschaft wurden ausgegrenzt. Die Wirkung dieses Feindbilds blieb prägend bis heute zur Integration der Sozialdemokraten und Linken in die monopolkapitalistische Staats- Verantwortung – den gemeinsamen übergreifenden Nationalismus. Mit dem Wachsen der Arbeiterbewegung an Mitgliedern und Wählern trotz aller staatlichen Gegenmaßnahmen verschärfte sich im Zeitalter zunehmender imperialistischer Politik die Diffamierung durch die Verknüpfung mit dem Antisemitismus, heute wohl mehr gegen Asylanten, Migranten, mindere Leistungsträger, Mob, Pöbel, Prekäre, Überflüssige.
Heute in einer Zeit in der der Marxismus für die meisten Menschen seinen humanistischen, antifaschistischen Nutzen für ihr Leben nicht konkret zeigen kann, ist der Marxismus ideologisch gegenwärtig im Wortschwall der Linken, aber nicht wirkmächtig und erscheint ohne Zukunft und ist für die jungen Linken eine exotische Baustelle für anregende Textbausteine.

Der „jüdische Bolschewismus“ war der Hauptfeind nicht nur des Nationalsozialismus, sondern auch anderer, mit ihm verbündeter faschistischer Bewegungen in Europa: der Ustasa in Kroatien, der Pfeilkreuzler in Ungarn, der Eisernen Garde in Rumänien und der OUN in der Ukraine. Rossoliriski-Liebe plädiert für einen transnationalen Blick auf Faschismus und Antisemitismus:
Nur so lasse sich die Umsetzung des Holocaust angemessen verstehen. Was das in der Ukraine in der Praxis hieß, belegt er in seinem bestens recherchierten Buch anhand zahlloser Beispiele. Die ukrainischen Nationalisten gingen mit großer Brutalität gegen alle vor, die nicht dem Ideal eines ethnisch reinen Staates entsprachen. Vor allem in Galizien, dem Zentrum des ukrainischen Nationalismus, wurden Juden und Polen zu Zehntausenden ermordet.
Das Buch Stepan Bandera. Leben und Kult“ endet 2010, was ein großes Manko dieses beeindruckenden Buches ist. Es handelt sich um die Übersetzung der ursprünglich auf Englisch geschriebenen Dissertation von Rossolinski-Liebe, die bereits 2014 erschienen ist. Schon 2012 stießen seine Forschungsergebnisse in der Ukraine auf wenig Offenheit. Fünf seiner sechs geplanten Vorträge dort wurden abgesagt, der sechste fand in der Deutschen Botschaft in Kyjiw statt, während draußen die rechtsextreme Swoboda-Partei protestierte. Am Ende seines Buches macht der Autor deutlich, dass die unkritische Sicht auf Bandera nicht auf Nationalisten beschränkt ist. Unter seinen Verehrern befänden sich auch Feministinnen, Menschenrechtler und Liberale, die Banderas Kampf gegen Russland als fortschrittlich verstünden. Das aber gehe nur, wenn man eine gewaltvolle Realität verdrängt, heißt es im letzten Kapitel. ,.Die Unfähigkeit zu trauern“: ,.Der Bandera-Kult ist nicht das einzige, aber eines der wichtigsten Phänomene, das den Ukrainern die Trauer um ihre Vergangenheit verwehrt und sie daran hindert schwierige Aspekte ihrer eigenen Geschichte zu überdenken.“
„Der russische Krieg in der Ukraine“, so Rossolinski-Liebe, habe „die Weigerung, sich kritisch mit dem ukrainischen Nationalismus auseinanderzusetzen, noch verstärkt“. In Interviews verweist er darauf, „dass die Verherrlichung Banderas dem Kreml-Herrscher geschichtspolitische Munition für seinen Angriffskrieg“ liefere. Doch letztlich geht es nicht um Putin, sondern darum, dass sich die Ukraine den dunklen Seiten ihrer Geschichte stellt