Erklärung eines Athener MARFIN-Bank-Angestellten zum Tod seiner drei Kollegen

Von der Existenz und dem Inhalt des Briefes erfuhr ich bei  meiner Jannis Ritsos-Lesung beim 3.europäischen Poesie-Festival in Frankfurt am 6.5.2010. Ich bitte um schnelle Verbreitung.  Auffällig ist bei dem Brandanschlag, dass ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt ausgerechnet vor dieser  berüchtigten Bank (siehe Fußnote) keine der zugesagten zivilen Sicherheitspolizisten anwesend waren. Dass ausgerechnet die Angestellten dieser Bank eingeschlossen wurden ohne Internetverbindung, ohne Sprinkleranlage, ohne Erste Hilfe-Ausbildung und mit drei kleinen Feuerlöschern, keinem Notausgang und einem gegen die Sicherheitvorschriften errichteten Gebäude voller leicht brennbarer Materialien usw…  Dass sie vor die Wahl gestellt wurden: entweder arbeiten beim Generalstreik oder Entlassung, hat für die Füllung dieser Falle mit Menschenopfern gesorgt. (HaBE den Brief aus MARX21 rauskopiert)
In einer Stellungnahme macht ein Angestellter der Athener Marfin-Bank den Bankvorstand für den Tod dreier seiner Kollegen am vergangenen Mittwoch verantwortlich. Diese starben an Rauchvergiftung, als die Bank aus einer Demonstration heraus mit Brandsätzen angegriffen wurde.

Ich habe meinen Kollegen gegenüber die Verpflichtung an die Öffentlichkeit zu gehen und ein paar grundlegende Wahrheiten zu erzählen. Ich sende diese Stellungnahme an alle Medienagenturen. Alle, die noch ein Gewissen haben, sollten sie veröffentlichen. Der Rest kann damit fortfahren das Spiel der Regierung mitzuspielen.

Trauer vor der Filiale der Marfin-Bank in der Athener Innenstadt  (Foto: Konstantinos  Koukopoulos / flickr.com)

Trauer vor der Filiale der Marfin-Bank in der Athener Innenstadt (Foto: Konstantinos Koukopoulos / flickr.com)

Die Feuerwehr hat das Gebäude bautechnisch niemals freigegeben. Die Betreibung der Bank lief unter der Hand, wie bei fast allen Unternehmen in Griechenland.

In dem fraglichen Gebäude sind keine Sicherheitseinrichtungen in Betrieb, also keine Deckensprinkler, Fluchtwege oder Feuerlöschschläuche. Es gibt nur ein paar tragbare Feuerlöscher, die natürlich nicht ausreichen bei einem Großfeuer in einem Gebäude, das nach längst überholten Sicherheitsstandards gebaut wurde.

In keiner einzigen Filiale der Marfinbank wurden Angestellte für den Brandfall geschult, nicht einmal in der Benutzung der wenigen Feuerlöscher. Das Management hat die hohen Kosten solch einer Schulung als Vorwand vorgeschoben und will nicht einmal die grundlegenden Maßnahmen ergreifen, um sein Personal zu schützen.

Es gab keine einzige Evakuierungsübung in irgendeinem der Gebäude noch Übungsstunden mit der Feuerwehr, um uns auf solche Situationen vorzubereiten. Die einzige Übung in der Marfinbank drehte sich um eine mögliche Terroristenaktion und insbesondere die Planung, den »Großen« der Bank in solche einer Situation zu helfen, aus ihren Büros zu flüchten.

Das Bankgebäude war nicht extra feuergeschützt und zudem voll mit hochbrennbaren Materialien wie Papier, Plastik, Kabel, Möbel. Das Gebäude ist wegen seiner Bauweise faktisch als Bank nicht nutzbar.

Niemand vom Sicherheitspersonal hatte Ahnung von Erster Hilfe oder Feuerbekämpfung, auch wenn sie mit der Sicherung des Gebäudes betraut sind. Die Bankangestellten sollen selbst Feuerwehr oder Sicherheitspersonal spielen, wenn es nach dem Eigentümer der Marfinbank geht, Herrn Vgenopoulos.

Das Management der Bank verbot den Beschäftigten strikt, die Bank zu verlassen, obwohl diese bereits morgens darum gebeten hatten – gleichzeitig wurden die Beschäftigten gezwungen, die Türen abzuschließen und sie wurden aufgefordert, regelmäßig telefonisch zu bestätigen, dass das Gebäude immer noch verschlossen ist. Das Management blockierte sogar den Internetzugang um zu verhindern, dass die Beschäftigten mit der Außenwelt kommunizieren.

Seit einigen Tagen wurden die Bankangestellten mit Blick auf die Proteste schikaniert: Das »Angebot« an sie lautete: Entweder ihr arbeitet oder ihr werdet gefeuert.

Die beiden Zivilpolizisten, die zum Schutz vor einem Raubüberfall auf die Bankfiliale eingeteilt waren, kamen an diesem Tag nicht, obwohl das Management dies mündlich seinen Angestellten versprochen hatte.

Meine Herren, hören sie auf so zu tun, als seien sie schockiert. Sie sind verantwortlich für das, was heute geschehen ist und in jedem Rechtsstaat wären sie schon für ihr Handeln verhaftet worden. Meine Kolleginnen und Kollegen haben soeben ihr Leben verloren – durch die Boshaftigkeit der Marfinbank und von Herrn Vgenopoulos, der die Angestellten explizit vor die Wahl gestellt hat, am 5. Mai, dem Tag des Generalstreiks, zu arbeiten oder entlassen zu werden.

ANMERKUNG: die Marfin-Bank ist stark im Spekulationsgeschäft mit den griechischen Staatsschulden beteiligt.  Sie hat dabei gepokert wie die telecom bei der feindlichen Übernahme der OTE, bei der die anfallenden Frühverrentungen und Frühpensionierungen durch den griechischen Staat übernommen werden mussten und nicht aus den Gewinnen der OTE bezahlt werden. (Siehe auch meinen Artikel hier im Archiv:(D-GB-F) EU-Kapital-Dienstleister: DEURO-Machtübernahme in Athen ; http://www.barth-engelbart.de/?p=618)

” … Ähnliches passierte mit den Olympic Airways bei mehreren Verkäufen und Rückkäufen durch den griechischen Staat.  Hier entstand neben vielen “ausländischen” Versuchen, die Olympic Airways zu übernehmen, ein Spielplatz für die grechischen Banken und das “nationale” Kapital in der MIG (Marfin Investment Group), die die profitabelsten Teile des staatlichen Unternehmens ohne das Personal kaufte und der griechische Staat musste das gewerkschaftlich erkämpfte, relativ hohe Lohnniveau in Staatsunternehmen beibehalten. Mit Zustimmung der PASOK-bestimmten großen Gewerkschaften konnte aber die Hälfte der Belegschaft entlassen werden. Auch hier wurde durch die Vertragskonstruktion gesichert, dass die Frühverrentungen und Frühpensionierungen nicht aus den Profiten der privatisierten Teile  sondern durch den griechischen Staat finanziert werden.
Das Vorbild Olympic Airways dient sozusagen als Plan für die innergriechische Sanierung der privaten Profite. ….” http://www.barth-engelbart.de/?p=618)

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

Ein Gedanke zu „Erklärung eines Athener MARFIN-Bank-Angestellten zum Tod seiner drei Kollegen“

  1. Tiefe Traurigkeit umgibt mich, wenn ich das lese. Aber hier wird deutlich, dass nicht der Mensch zählt, sondern nur, und nur der PROFIT. Wer heute noch immer glaubt, “heil” aus der Krise zu kommen, irrt gewaltig. Wacht endlich auf. Wir kleinen Leute sind viele und müssen uns wehren gegen diese Herrschaft des Geldes. Seid euch der Stärke bewußt, die ihr habt. Unsere Generation wird es vielleicht nicht schaffen aus dieser Misere zu kommen. Aber unsere Nachfolgegenerationen haben vielleicht eine Option. Ansätze finden sich bei youtube – schaut nach ‘zeitgeist’ bzw. ‘zeitgeist2 addendum’ und begreift, wie Konzerne arbeiten, wie Banken arbeiten für ihre Profite und ihr werdet feststellen, dass der Tod dieser Bankangestellten die da Oben nicht wirklich interessiert. Aber wir sind die, die etwas bewegen können. Es geht um uns, es geht um jeden einzelnen Menschen.

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