Kurden in Nordsyrien – ein Dialog über Befreiung

Wie die YPG mit den westlichen Kriegsparteien zusammenarbeitet, beschreibt ein Artikel der Deutschen Wirtschafts Nachrichten sehr deutlich – und es schadet nicht, ihn noch vor dem Dialog zu lesen:

Frankreich stationiert über tausend Soldaten in Syrien

Zwischen drei meiner FreundINNeN -Willi Übelherr aus Paraquay, Eva und Markus Heizmann  von der Schweizer Initiative “Hände weg von Syrien – Bündnis gegen den imperialistischen Krieg”

entstand über das Internet ein Korrespondenz-Dialog zu Syrien. Ein vierter Freund, Dr. Klaus-Peter Kurch hat diese Korrespondenz begonnen unter dem Titel   “Kurden in Nordsyrien – ein Dialog über Befreiung” auf seinem “Opablog” zu dokumentieren. Ich HaBE  diese Dokumentation aus den Opablog herauskopiert und sie hier weitergeführt:

“Kurden in Nordsyrien – ein Dialog über Befreiung” Teil I

In Reaktion auf den verbrecherischen Angriff von USA, Frankreich und Großbritannien auf Syrien am 14.4.2018 unter der Behauptung eines Chemiewaffeneinsatzes der syrischen Armee protestierten drei christliche Würdenträger in Syrien.

Dabei erklärten sie auch: „Wir rufen alle Kirchen in jenen Ländern auf, die an der Aggression teilgenommen haben, ihre christlichen Pflichten gemäß dem Evangelium zu erfüllen und die Aggression zu verurteilen und ihre Regierungen dazu aufzurufen, sich für den Schutz des internationalen Friedens einzusetzen.“

Am 22.4.2018 berichtet Voltairenet, dass es der Gemeinsamen Erklärung folgend eine Initiative des Patriarchen der Russisch-Orthodoxen Kirche und des Papstes von Rom gegen den Krieg in Syrien geben werde.

Willi Übelherr übernahm am 23.4.2018 diese Meldungen in seinen E-Mail-Verteiler und bemerkte dazu u. a.:

„Dass die beiden hauepter, Patriarch of Moscow, Cyril the First (Orthodox) und Papst Franziskus, Bischof von Rom, neben den vielen anderen „haeuptern“, nun aktiv geworden sind, koennen wir nur begruessen. Die Friedens- und Freiheitslehre des juedischen
Befreiungstheologen, Jesus von Nazareth, kann vielleicht doch wieder fuss fassen.

Fuer mich ist klar, dass wir den weg der Demokratischen Foederation Nord Syrien gehen muessen, um die freie kooperation freier gemeinden entfalten zu koennen und so stabile lebensgrundlagen in allen regionen zu ermoeglichen. Die bedingung dabei ist immer, zentralisierte und zentralisierende strukturen endlich zu ueberwinden.“

Auf diese Mail antwortete am selben Tag Marcus Heizmann vom Bündnis „Hände weg von Syrien – Buendnis gegen den imperialistischen Krieg.“

Es entspann sich eine sachbezogene, lehrreiche Diskussion, die ich mit dem Einverständnis der beiden Protagonisten hier dokumentiere:

„Lieber Willi
Wir schätzen Deinen Versand sehr und sind auch meistens mit Dir einig. Auch was Du uns vom Volatairenet weiter leitest ist gut, die Stellungnahme der Bischoefe und religioesen Wuerdenträger ist weitgehend bekannt, davon konnten wir uns schon im Jahr 2016 in Aleppo selbst überzeugen.
Der letzte Satz in Deinem Versand hingegen sorgt fuer Verwirrung:

Zitat:
Fuer mich ist klar, dass wir den weg der Demokratischen Foederation Nord Syrien gehen muessen, um die freie Kooperation freier Gemeinden entfalten zu koennen und so stabile lebensgrundlagen in allen regionen zu ermoeglichen. Die bedingung dabei ist immer, zentralisierte und zentralisierende strukturen endlich zu ueberwinden.“ Zitat Ende

Du darfst uns glauben, Willi: So was wie eine „Demokratischen Foederation Nord Syrien“ ist reines westliches Wunschdenken. Der gesamte Raum dort, inklusive die von den Kurden besetzten Gebiete, gehören zu Syrien. Die zentralisierten Strukturen, welche Du „ueberwinden“ willst, kommen von Damaskus aus. Dort wo diese Strukturen, dieser Einfluss von Damaskus „ueberwunden“, oder gar ganz beseitigt sind, zaehlen wir heute
an die 20 US-amerikanischen Militaerbasen.

Mit anderen Worten: Der Weg der „demokratischen Foederation“ ist eine Falle und führt geradewegs in die militaerische Besatzung durch die USA, die NATO und deren Komplizen.


Die Loesung kann also nur in einem vereinten, stabilen und geeinten Syrien liegen, in dem, wie seit eh und je, alle Menschen des syrischen Staates gleichberechtigt miteinander leben. Genau so, wie es vor 2011, vor den barbarischen Angriffen gegen Syrien war und auch heute im von der syrischen Regierung kontrollierten Syrien der Fall ist.

Solidarische Grüsse

Markus und Eva
Mitglieder Hände weg von Syrien – Buendnis gegen den imperialistischen Krieg.“

 

Kurden in Nordsyrien – ein Dialog über Befreiung (II)
Veröffentlicht am 2. Mai 2018 von kranich05
Auf die Mail von Marcus Heizmann vom 23.4.2018 (Siehe Folge I) antwortete Willi Übelherr am 24.4.2018 ausführlich:

„Lieber Markus,

ich danke dir sehr fuer deinen sofortigen und spontanen einspruch. Und auch ich bin immer dankbar, wenn ich deine/eure berichte und informationen lesen kann. Sei es direkt oder ueber Kaspar Truempy oder Willy Wahl.

Dieser letzte absatz hat nur wenig mit der idiotischen kollaboration mancher kurden mit der USA, Israel oder Frankreich zu tun. Es geht auch nicht um staatliche abtrennung oder separierung. Es geht mehr um die frage, wie stabile materielle lebensgrundlagen entstehen koennen, die ein hohes mass lokaler selbstbestimmung ermoeglichen.

Die grundlage hierfuer sind die entwickelten lokalen oekonomien, die in kooperativen verbindungen sich gegenseitig unterstuetzen. Dabei bleiben ihre lokalen selbstgestaltungen ihrer lebensweise unberuehrt. Regionale anforderungen werden ueber kooperative verbaende der beteiligten gemeinden gelost.

Das mag von mir etwas zu euphorisch klingen, wenn wir die wirklicheit in betracht ziehen, wo sich ja deutliche autoritaere spuren mit ihren elitaeren strukturen niederschlagen. Und ich bin mir nicht sicher, ob die mehrheit der menschen in Nord Syrien diesen weg einer kleinen machtgruppe akzeptieren und mittragen wollen.

Aus den deutschsprachigen portalen der Kurden lese ich dazu nichts. Aber dafuer habe ich etwas anderes gelesen. Ercan Ayboga agiert in der gruppe „Mesopotamia Ecology Movement“. Es geht dabei um das quellwasser fuer Euphrat und Tigris und damit um das alte gebiet mesopotamien, das von diesen beiden fluessen mit wasser versorgt wird und heute vom tuerkischen staatsapparat geblockt bzw. kontrolliert werden will.

Auch in dieser gruppe, kurz MEM, existiert ein raeumlicher ansatz, unabhaengig jetzt von anderen kuenstlichen grenzlinien, der die menschen in diesem raum als ganzes aus vielen einzelnen teilen betrachtet, die in ihren grundlegenden lebensinteressen die gleichen anforderungen mit sich tragen.

Diesen grundgedanken finden wir im konzept der „demokratischen Foederation“ von selbstaendigen gemeinden und gruppen von gemeinden.
Abdullah Oecelan hat diesen gedanken, der ja schon sehr alt ist, aufgegriffen und fuer den raum Sued-West-Asien angewendet.

Von daher unterstuetze ich sehr deinen hinweis:
„Die Loesung kann also nur in einem vereinten, stabilen und geeinten Syrien liegen, in dem, wie seit eh und je, alle Menschen des syrischen Staates gleichberechtigt miteinander leben.“

Weil „demokratische Foederation“ bezieht sich nicht auf eine aeussere abgrenzung einer region, meinetwegen auch als staat gekennzeichnet, sondern auf die inneren beziehungen in dieser region. Also ihrer art des wirtschaftens, der pflege und foerderung der natur, der immateriellen und materiellen austauschprozessen, der pflege und erhaltung ihrer lokalen kulturellen eigenheiten und tradierten und/oder neuerschaffenen lebensweisen.

Bevoelkerungen leben immer in gemeinden. Dies sind ihre gesellschaftlichen entitaeten. Und so, wie wir in Europa hoch divergente regionen haben, so auch dort. Zentralisierende und zentralisierte instanzen neigen zur monotonie, zur vereinheitlichung, zur aufloesung
der unterschiede. Selbstbestimmte lebensweisen tendieren immer zur unterschiedlichkeit, zur Vielfalt.

Das entscheidende zur realisierung sind die stabilen materiellen lebensgrundlagen. Aber das ist ein prozess, der mit den gesetzen der natur zu tun hat wie z.b. boden, wasser, saatgut, lagerung von saat und ernte, konstruktion von gebaeuden und maschinen etc. Auf dieser basis koennen all die vielen besonderheiten sich entfalten und gegenseitig sich befruchten.

Insofern mag das, was ich da schrieb, in manchem zuweit in die zukunft gedacht gewesen sein. Aber die konzepte der aufloesung regionaler autonomie im sinne lokaler selbstbestimmung ist ueberall gescheitert, wo sie durch koloniale eingriffe zerstoert wurde. Und heute sehen wir es extrem in Syrien wie zuvor in Iraq und Libyen.

Die erhaltung der grossen region Syrien als raum autonomer selbstbestimmung ist eine fundamentale bedingung dafuer, damit sich im inneren eine freie selbstgestaltung der lebensweisen ueberhaupt ausbilden kann.

Ich weiss, dass das fuer viele noch schwierig ist, vorstellbar zu sein. Zu sehr sind wir selbst auf grosse apparate fixiert, denken in staatlichen konstrukten und vergessen dabei ihre einzelteile. Wir koennen, wenn wir in raeumen denken, auch von unten her beginnen.
Gemeinden als unseren lebensraum, regionen der direkten erreichbrkeit und der grossen region als abgrenzung, solange wir dies brauchen. Weil eigentlich ist es ja ueberfluessig.

Die gemeinden an den kuenstlichen grenzen, weil nur auf dem papier, hatten immer ihre verbindung auf die andere seite. Ich kenne das aus Sued-Bayern und Sued-Wuerttemberg. Und ich vermute, das gilt/galt ueberall. Ohne massive eingriffe der „zentralgewalt“ waere das heute immer noch so.

Und ohne es zu wissen, vermute ich, dass das in Syrien genauso ist. Mit dem Sykes-Picot-Abkommen wurde dieser raum Suedwest Asien von aussen aufgesplittet. Ich habe nichts gelesen darueber, dass die dortige bevoelkerung dies wuenschte.

Und heute soll eine weitere aufsplitterung vollzogen werden, ohne dass die bevoelkerung dies erwuenscht. Dass so manche Kurden nun mit ihrem fanatischen nationalismus, der eh keine grundlage hat, agieren, und sich mit jeder dahergelaufenen kriminellen bande verbuenden, hat viel, meineserachtens, mit ihrer Geld-gier und Geld-sucht zu tun, die auf
elitaere clan- und stammes-strukturen verweisen und nur wenig mit vernuenftigem und rationalem denken zu tun hat.

Aber, wir sollten auch gerecht sein. Die anerkennung lokaler besonderheiten war bei der Baath-Partei noch nie gegenstand ihres denkens. Da ging es immer um monotone apparate mit hoher quantitaet an finanzfluessen.

mit lieben gruessen, willi“

Darauf antwortete umgehend (24.4.3018) Marcus Heizmann:

„Lieber Willi

Vorerst besten Dank für Deine prompte und ausführliche Antwort auf meinen Einspruch, dies vor allem deswegen, weil sich in dieser Debatte einige Widersprüche des gegenwärtigen linken, vor allem des europäisch linken Diskurses manifestieren.
Ich plädiere dafür, diese Widersprüche, gemäss ihrer Wichtigkeit zu hierarchisieren:

Objektiv ist der Hauptwiderspruch in unserer gespaltenen Welt der Widerspruch Anti Imperialismus – Imperialismus. Wohl gibt es Klassengegensätze, es gibt Ungerechtigkeiten zwischen den Geschlechtern, Menschen werden ihrer Hautfarbe, ihrer sexuellen Ausrichtung Herkunft oder aus anderen Gründen diskriminiert. All diese Widersprüche lassen sich auf den Einen, auf den Hauptwiderspruch zurück führen, den
Widerspruch Anti Imperialismus – Imperialismus.

Wir wissen von gesellschaftlichen Experimenten in der Geschichte der Menschheit, genannt seien die Qarmaten (Karmaten) im arabischen Raum vor rund 1000 Jahren, die versucht haben, diesen Ungerechtigkeiten eine gelebte Alternative entgegen zu stellen. (Siehe dazu „Qarmaten und Ihwan as Safa, Quintern und Rahmani, Tup Verlag Hamburg oder auch „Die Karmaten“ Peter Priskil, Ahrimann Verlag).

Manchmal habe ich den Eindruck, dass sich die Diskussion um Projekte, aktuell ist natürlich Rojava, im luftleeren Raum abspielt, so als gäbe es keine imperialistischen Angriffe gegen Syrien, so als gäbe es keine Kollaboration der kurdischen Kräfte mit USA, NATO und Israel und so als wäre es ein Zufall, dass die „autonomen Gebiete“ ausgerechnet dort Fuss fassen sollen, in denen es Öl und Wasser gibt und so als hätte es
niemals ein Sykes-Picot Abkommen gegeben, welches du ja auch erwähnst.

Mit anderen Worten: Wie in so vielen umkämpften Gebieten des Planeten, stellt sich auch in Nordsyrien als erstes die Frage nach den imperialistischen Interessen. Diese Frage zu beantworten fällt uns nicht schwer: Es ist das erklärte Interesse der USA und der NATO Staaten Syrien zu zerstückeln, also einerseits zu dezentralisieren und andererseits ihre eigene Hegemonie zu etablieren.Was danach geschieht, nun, dafür haben wir Beispiele zuhauf: Genannt sei der Irak, genannt sei Libyen, genannt sei aber auch die Bundesrepublik Jugoslawien, die, ebenso wie andere funktionierende Gesellschaften auch, vor unser aller Augen zerstört wurden.
Der Trick ist übel und es erstaunt, dass es gleichwohl immer wieder funktioniert:

Ein Staat wird nicht über Nacht vom Imperialismus angegriffen, zuvor wurde sorgfältige Vorabarbeit geleistet, bestehende Strukturen werden instrumentalisiert und möglicherweise bestehende Ungerechtigkeiten der Zentralregierung, und seien diese auch noch so klein, werden medial ins Unermessliche aufgeblasen. Dies sind die – keineswegs abstrakten – Mechanismen, mit denen wir immer wieder konfrontiert sind. Bezogen auf Nordsyrien und die sogenannten „Autonomiebestrebungen“ werden diese
Mechanismen ganz besonders deutlich:

Nie haben wir davon gehört, dass es der kurdischen Bevölkerung in Nordsyrien unter Hafez al Assad oder unter Bashar al Assad schlecht gegangen sei. Die Zentralregierung in Damaskus war ein Fakt, über den sich vielleicht einige beklagt haben, weder gab es jedoch gross angelegte Proteste oder gar Aufstände. Alle syrischen StaatsbürgerInnen
sind gleichgestellt. Ganz anders die Situation in der Türkei. Immer wieder kam es dort unter den wechselnden Regierungen zu Kriegszügen gegen die Kurden und zu massiver Unterdrückung der kurdischen Bevölkerung. Syrien war davon insofern betroffen, als dass der syrische Staat den kurdischen Kämpfern und den kurdischen Flüchtlingen aus der Türkei solidarisch ein sicheres Hinterland bot. (Analog übrigens zu den
von Israel vertriebenen Palästinensern und den Irakern, die vor dem US Terror aus dem Irak nach Syrien flüchteten).

Es stellt sich nun die Frage, warum diese „Autonomie des kurdischen Volkes“ ausgerechnet in einem vom Imperialismus angegriffen, antiimperialistischen Syrien mit Gewalt verwirklicht werden soll? In wessen Interesse ist das?

Gesellschaftliche Experimente wie dezentralisierte (Stammes) Strukturen und ähnliches sind zarte Pflanzen, sie gedeihen nicht unter kriegerischen Bedingungen. Die Qarmaten, die ich weiter oben erwähne, hatten ihre Hochblüte unter dem Kalifat, während einer Ära des Friedens. So ist es ihnen nicht nur gelungen, eine 200jährige (!) sozialistische
Gesellschaft und Friedenskultur aufzubauen, sie brachten auch die Wissenschaften, die Kultur, Literatur, Musik usw. zu nie mehr erreichten Höhen.

Es ist tatsächlich erstaunlich, zu welchen Konzessionen, die hier im Westen so sehr geschmähten Mächte Syrien, Iran und Russland bereit sind.
In Damaskus haben wir von einem Berater des Ministers für Versöhnung erfahren, dass die Regierung den Kurden im Norden Hand zu Verhandlungen bietet, so waren die Kurden zum Beispiel zu den Gesprächen nach Sotschi eingeladen. Die kurdische Führung lehnte dies ab, dem Vernehmen nach hörten sie auf den Ratschlag von Hillary Clinton.
Das ist eben genau das wovon ich rede: Vor dem Hintergrund einer imperialistischen Aggression muss den Akteuren sehr klar sein, wo der Haupt- und wo die Nebenwidersprüche liegen. Diese politische Klarheit vermisse ich bei der aktuellen Debatte vor allem innerhalb der europäischen Linken schmerzlich.
Gewiss: Wenn wir suchen, finden wir sowohl bei der syrischen Baath Partei als auch beim Iran und auch bei Russland Mängel. Die Frage ist nun, wem nützen wir, wenn wir diese Mängel und Unzulänglichkeiten anklagen? Diese Frage muss umso mehr erlaubt sein, weil wir uns auf derselben Seite befinden wie die Imperialisten, wenn wir die Regierungen der angegriffenen Länder auf die Anklagebank setzen.

Wäre es von einem anti imperialistischen Standpunkt aus nicht sehr viel angemessener und auch sehr viel logischer, Bewusstseinsarbeit und Aufarbeitung über die zahllosen Verbrechen der USA, der NATO, Israels, der Imperialisten also, zu leisten und mindestens zu versuchen, geplante künftige Verbrechen des Imperialismus zu verhindern?
Ich hege keinerlei Zweifel daran, dass die Regierungen der angegriffenen Länder mit Vernunft begabt sind, anderenfalls könnten sich Syrien, Iran, Venezuela, Kuba, Somalia und andere dem imperialistischen Monster nicht so lange und so erfolgreich entgegenstellen. Von dieser Vernunft gehe ich aus und habe daher keine Zweifel, dass sowohl Autonomie Bestrebungen als auch eine wie auch immer geartete Dezentralisierung geregelt werden können. Verständlicherweise steht das jedoch in Syrien im Moment nicht zuoberst auf der Agenda. Im Moment handelt es sich darum, das Land mit allen Mitteln gegen die Angriffe von aussen zu verteidigen und dessen
Einheit zu bewahren.

Auch wieder vom bereits erwähnten Mitarbeiter des Ministeriums wissen wir, dass dazu alle eingeladen sind. In jedem Fall ist die Gestaltung der Gesellschaft in Syrien, die Angelegenheit Syriens, nicht die der Europäer, der USA, der NATO oder von anderen, die
sich einmischen. Voraussetzung ist auch ein Konsens darüber, dass die territoriale Einheit Syriens nicht verhandelbar ist, dass sämtliche ausländischen Kämpfer, die nicht ausdrücklich von der syrischen Regierung legitimiert sind, das Land sofort zu verlassen haben und dass sämtliche Ressourcen in Syrien dem syrischen Volk gehören.
Erstes Ziel ist also die Befreiung Syriens von allen US und NATO Kräften und von ihren Söldnern, sei dies nun IS, SDF, FSA oder wie auch immer sie sich aktuell nennen mögen, von allen Kämpfern des Imperialismus also.

Das ist meiner Meinung nach der Hauptwiderspruch. Wenn das nicht erreicht werden kann, dann brauchen wir auch nicht mehr über Autonomie oder Dezentralisierung zu diskutieren, dann nämlich wird jede, auch die kleinste Autonomie zur Makulatur und die Zentrale wird dann in Washington oder in Brüssel sein.

Solidarische Grüße

Markus“

 

 

Kurden in Nordsyrien – ein Dialog über Befreiung (III)

25.04.2018

 

Lieber Markus, ich bin begeistert. Und meinen grossen dank fuer deinen hinweis auf die Qarmaten. Das ist mir neu.

In der grundlegenden betrachtung sind wir uns ja voellig einig. Die menschen in der region Syrien brauchen ihren selbstbestimmten raum. Das gute dabei ist, dass in Syrien der europaeische Nationalismus nie fuss gefasst hat. Es war immer ein raum, in dem menschen verschiedener kultureller und spiritueller stroemungen und orientierungen zusammen lebten. Das ist die grundlage fuer die grossartige kultur.

Das hatte ja viel mit dem osmanischen reich zu tun, das wie ein schirm funktionierte, unter dem die Vielfalt sich entfalten konnte. Und dieser raum war SuedWest-Asien. Dieser raum wurde mit dem 1. grossen europaeischen krieg, auch Weltkrieg I genannt, zerstoert, um kleine teile unter den einfluss europaeischer kolonialsysteme zu erhalten. Ich vermute, dass wir uns darin sehr einig sind.

Wir muessen in bezug auf die “demokratische Foederation in Nord Syrien”

die reflektion im west-europaeischen und allgemein auch englisch-sprachigen raum von dem lokalen/regionalen geschehen in Syrien trennen. Das sind fuer mich 2 voellig verschiedene dinge.

Die begeisterung, die die DFNS (demokratische Foederation Nord Syrien) ausgeloest hat, hat viel mit dem suchen nach lebbaren alternativen auch in deren lebensraeumen zu tun. Im westeuropaeischen und nordamerikanischen sind solche aktivitaeten massiv geblockt. So wird vielleicht verstaendlich, dass eine geradezu bewusstlose, oder scheuklappenmaessige glorifizierung entsteht, die die konkreten einbindungen im groesseren raum ignoriert. Aber auch die anforderungen im lokalen.

Wir koennen auch mit sicherheit davon ausgehen, dass dieser mangel an kritischer reflektion mit eingeschleusten kraeften massiv verstaerkt wird. Nur so ist zu erklaeren, warum die deutsch-sprachigen portale der kurden, aber auch in den englisch-sprachigen “Graswurzel” portalen, all jenes, was du und ich hierzu aeussern, ausgeklammert wird. Mit dem ueberfall der Tuerkei in der provinz Afrin wurde es ihnen scheinbar klar, was da geschieht. So entstand eine gigantische ruhe.

Merkwuerdiger weise wird in diesen portalen die illegale installation des US/Israel/Nato militaers in Syrien und drum herum nicht thematisiert. Nur Ercan Ayboga thematisiert es, wenn auch sehr vorsichtig.

Dein hinweis auf Palaestina ist fuer mich zentral, weil Israel als militaerisches Front-Camp des “Westen” und “Osten”, der Sowjetunion unter Stalin, installiert wurde und so auch agiert. Der raum war immer ein ganzes und da hatte ein Israel auf palaestinensischem land keinen platz.

“Ich plädiere dafür, diese Widersprüche, gemäss ihrer Wichtigkeit zu hierarchisieren: Objektiv ist der Hauptwiderspruch in unserer gespaltenen Welt der Widerspruch Anti Imperialismus – Imperialismus.”

Ja, das sehe ich auch so. Die bedingung, im lokalen/regionalen selbstbestimmte stabile lebensgrundlagen entstehen zu lassen, ist die stabilitaet des grossen raums, der der lokalen/regionalen selbstbestimmung erst den handlungsraum ermoeglicht.

Fuer mich hat das ganze dilemma mit den alten elitaeren machtstrukturen bei den Kurden zu tun. Nur so koennen sie von aussen missbraucht werden und bieten sich dafuer an. Der Barzani-Clan in Nord-Iraq zeigt uns dies ehr gut.

Wie in Nord-Syrien nun eine aufklaerung und klaerung stattfinden kann, kann ich nicht beurteilen. Eine struktur der telekommunikation, das jede person frei nutzen kann, gibt es nicht. Damit sind sie darauf angewiesen, sich aus vermittelten informationsfluessen ein bild zu machen. Und das scheitert immer. Auch bei uns in Deutschland. Und das ist auch das zentrale problem in Latein Amerika.

Was die syrische regierung mit Huawei/China nun vorhat, weiss ich nicht.

Aber ich weiss, das wird wieder auf eine privat/staatliche struktur hinauslaufen, um die telekommunikation dem geldsystem zu unterwerfen.

Wie bei uns auch.

Ich verweise auf diesen punkt, weil das fuer die menschen in allen regionen auf unserem planeten eine bedingung ist, um ihre situation im globalen feld einordnen zu koennen. Und es ist auch eine bedingung fuer lokale/regionale oekonomische unabhaengigkeit, die nie auf dem extraktivismus, der pluenderung der natur fuer geldstroeme, aufsetzen kann.

Ich adressiere ja im zusammenhang mit Syrien immer die deutsch-sprachigen kurdischen portale. Und aus ihrer extremen zurueckhaltung sehen wir, dass sie sich zu diesen fragen nicht aeussern wollen. Und ich vermute, dass ihre mitglieder davon auch nichts wissen, weil nichts wissen sollen. Das gleiche erlebe ich mit der “Internationalist Commune Rojava”. Auch wenn das nur wenige leute sind, so haetten sie doch die chance, direkt vor ort, das geschehen zu reflektieren und uns das wirkliche streben der menschen zu vermitteln.

Die kurdischen Clans haben die demokratische Foederation in Nord-Syrien zerstoert. Auch ihr verweis auf Abdullah Oecelan ist nicht mehr zulaessig, weil fuer ihn als ueberzeugter Anti-Imperialist, und nun Kommunarde mit verweis auf Bookchin und die Pariser Commune, ebenso auf Bakunin und Kropotkin und die anarchistischen bewegungen Mexico, Ukraine und Spanien, eine wenn auch nur taktische kollaboration mit den kolonialen Raeubern Nord-Amerika, West/Mittel-Europa, Israel und feudale Golf-Faschismen, Australien und NeuSeeland, nicht moeglich waere.

In der syrischen bevoelkerung existiert ein klares verstaendnis ueber den versuch des “Westens”, SuedWest-Asien zu zerstoeren. Ich vermute, dass dies auch fuer die bevoelkerung in Nord-Syrien zutrifft. Nicht fuer jene, die sich dort als die “Leithammels”, die “Fuehrer”, aufspielen. An der brutalen zerstoerung der infrastrukturen, der staedte mit ihrer tiefen geschichte, wie Fallujah, Mosul und Raqqa, koennen die menschen die destruktive orientierung des “Westen” sehr gut sehen. So werden sofort die parallelen zu Hiroshima und Nagasaki und Dresden erkennbar.

Und fuer die Sunniten wird die geschichtszerstoerende ausrichtung des Wahabismus ebenfalls erkennbar. Das hat mit dem Islam nichts mehr zu tun. So wenig, wie Israel mit der juedischen Kultur etwas zu tun hat.

Vielleicht wird so den menschen deutlich, dass der “Westen” die zerstoerung der geschichte, der traditionen, der kulturellen vielfalt notwendig braucht.

Lieber Markus, ich danke dir sehr fuer dein offenes sprechen ueber deine gedanken. Vielleicht koennen wir so etwas mithelfen, eine klarheit entstehen zu lassen.

 

mit lieben gruessen, willi

Asuncion, Paraguay

 

26.04.2018

Lieber Willi

 

Hier meine Überlegungen zu einigen Punkten in deiner Mail:

Erstmal zum osmanischen Reich: Ohne Historiker zu sein, weiss ich von verschiedenen Historikern, dass die Offenheit des osmanischen Reiches zumindest umstritten ist; offener und auch in kultureller und wissenschaftlicher Beziehung reicher war, soviel ich weiss,  dessen Vorgängerin, das Kalifat.

 

Zur DFNS (Demokratische Föderation Nord Syrien):

Während unseres Aufenthaltes im Jahr 2016 im damals noch umkämpften Aleppo konnten wir feststellen, dass es einen sehr regen Austausch zwischen den Menschen der Region und der „Zentralmacht“ in Damaskus gibt. Just als wir da waren, besuchte eine Delegation von ParlamentarierInnen die Gegend und nahm die Anliegen der Bevölkerung auf. Einen Bedarf an einer wie auch immer gearteten „demokratischen Föderation“ konnten wir nirgendwo feststellen. Ich meine, dass ein Konstrukt „Demokratische Föderation in Nordsyrien“ eine Falle ist, aus Gründen, die ich bereits in meiner letzten Mail dargelegt habe. Wir konnten feststellen, dass den Menschen vor Ort sehr wohl bewusst ist, woher die Angriffe kommen, nämlich aus den USA, den NATO Staaten, aus Israel und aus den Öl Oligarchien, welche die Vasallen der genannten sind. Als Bodentruppen der Aggressoren fungieren Söldner mit wechselnden

Namen: ISIL, IS, Jabat al Nusra, FSA, SDF und andere. Den Menschen vor Ort ist auch vollkommen klar wo Sicherheit ist: Dort wo die (nota bene

zentralisierte) syrische Volksarmee, vielleicht gemeinsam mit Russland und den Kräften der Hisbollah die Oberhand hat. Wir haben dort niemanden getroffen, der über einen wie auch immer gearteten Wandel des politischen Systems diskutieren wollte. Priorität hatte (und hat) für alle die Sicherheit vor den vom Imperialismus eingeschleusten Todesschwadronen. Und um das auch gleich zu klären: Wir konnten mit Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten sprechen, die Kommunikation lief entweder in arabisch (mit einer Übersetzerin aus der Schweiz, einer Freundin von uns die mit uns reiste) oder in englisch oder französisch. Bei keinem dieser Gesprächen waren irgendwelche „Mitarbeiter des syrischen Geheimdienstes“ anwesend, wie westliche Journalisten hier über ihre Begegnungen in Syrien oft kolportieren.

Falls also Justierungen oder Änderungen an den tradieriten lokalen Strukturen notwendig sind, besteht diese Möglichkeit bereits heute und zwar in einem Ausmass wie wir es in den westlichen Demokratien nicht kennen. Die Frage musss also erlaubt sein: Wozu ist die Bildung einer DFNS, mitten in einer Zeit des Angriffskrieges notwendig?

 

Zum Teil beantwortest du ja diese Frage gleich selbst: Lebbare Alternativen sind in den hochgelobten Demokratien des Westens nicht machbar. Kann es sein, dass deswegen vor allem junge Menschen ihr Augenmerk nach Nordsyrien richten? An sich wäre das ja erfreulich. Es ist jedoch nicht erfreulich, sondern im höchsten Mass bedauerlich, weil sie sich nämlich instrumentalisieren lassen. Mit einer Revolutionsromantik, die ihresgleichen sucht, werden die KämpferInnen die in Syrien gegen die syrische Volksarmee kämpfen, doch tatsächlich mit den internationalen Brigaden im spanischen Bürgerkrieg verglichen oder gar gleichgestellt. Das schon nicht mehr Geschichtsklitterung, da haben wir es schon mit handfesten Fälschungen zu tun!

 

Die (geplante) Etablierung eines „kurdischen Staates“ wäre tatsächlich ein neues Israel in der Region. Dies geht natürlich einher mit den Plänen der USA und der NATO Staaten, den gesamten nahen und mittleren Osten neu aufzuteilen. (Sykes-Picot lassen grüssen!) Sieben sogenannte „Schurkenstaaten“ hat der Verbrecherstaat USA benannt, die es zu zerstören gelte: Irak, Iran, Nordkorea, Libyen, Syrien, China und Afghanistan. Dass es sich hierbei nicht um leere Drohungen handelt, sondern um konkrete Verbrechen, belegen die bereits angegriffenen oder zerstörten Länder (nicht nur) auf dieser Liste. Vor diesem Hintergrund für „lokale Selbstbestimmung“ einzutreten mag im besten Fall gut gemeint sein, spielt jedoch letztlich dem imperialistischen Feind in die Hände.

(Siehe Kurden im Irak).

Die Invasion der türkischen Armee nach Afrin hat, mindestens hier im deutschsprachigen Raum Europas, keine gigantischen Ruhe entstehen lassen, wie du schreibst. Im Gegenteil gab und gibt es immer wieder Proteste auf der Strasse, in den Parlamenten und in den Leitartikeln gegen diese türkische Aggression. Ein Freund in Damaskus, dem ich davon berichtete, meinte lapidar: „Schön, aber warum protestieren sie nicht für uns, wir werden seit 2011 angegriffen!“

Ich bin auch nicht der Meinung, dass die kurdischen Clans die DFNS zerstört haben. Ich bin der Meinung, die DFNS hat das ganz alleine geschafft, nämlich weil sie keinerlei Basis innerhalb der Bevölkerung vor Ort haben. Bevor die Barbaren aus den USA, den NATO Staaten und Israel Syrien angegriffen haben, war es in Syrien ein absolutes no go gegenüber seinen Mitmenschen auf seiner Religion oder auf seiner Ethnie zu beharren. Alle und zwar wirklich alle waren und sind Teil eines säkularen, multikulturellen, multireligiösen, und multiethnischen syrischen Staates. (Ein sehr guter Freund von uns, ein Syrer, berichtete uns, erst hier in Europa habe er erfahren, dass er Kurde sei, zu Hause in Syrien, sei das für niemanden ein Thema gewesen).

Der reaktionäre faschistoide Wahabismus saudischer Prägung, den du im letzten Abschnitt erwähnst ist, auf den Punkt gebracht, ebenfalls eine Erfindung der Briten. Die Muslimbrüder wurden um 1919 von der englischen Kolonialmacht erst in Saudi Arabien unterstützt, wo sie bis dahin eine kleine unscheinbare Sekte waren. Danach wurden sie nach Ägypten „importiert“, um dort den anti-kolonialen Aufstand des ägyptischen Volkes zu spalten.

Die Aggression der Europäer, später der USA und Israels gegen die Völker der Welt hat eine erschreckende Kontinuität. Es mag, wie gesagt, sein, dass Initiativen wie DFNS von einigen ihrer ExponentInnen sogar gut gemeint sind. Objektiv müssen wir ihnen jedoch am Ende des Tages bescheinigen, dass sie den imperialistischen Aggressoren in die Hände arbeiten. Ein wirklich anti- imperialistischer Ansatz wäre es, wenn das kurdische Volk, gemeinsam mit der syrischen Armee und ihren Verbündeten gegen die US, NATO Israel Aggression kämpfen würde, dies wäre ein revolutionärer Ansatz und ein Beispiel für die Völker der Welt. Hätten sie diese Option gewählt, wäre es übrigens wahrscheinlich gar nie zu dem jetzt beklagten Einmarsch der Türken nach Nordsyrien gekommen. Wir brauchen keine prophetischen Gaben, um voraus zu sagen, dass in einer vom Imperialismus gespaltenen Welt Initiativen wie „Rojava“, „DFNS“ und andere aus einem einfachen Grund zum Scheitern verurteilt sind: Sie grenzen sich nicht von den imperialistischen Mächten ab, sie verfügen über keine Basis vor Ort und sie versuchen mit den imperialistischen Mächten zu paktieren Es war auch schon die Rede davon, dass sie den Imperialismus instrumentalisieren. Das ist ein grosser Irrtum, der Imperialismus lässt sich nicht instrumentalisieren, der Imperialismus instrumentalisiert. Fazit: Die Dezentralisierungsbestrebungen können sich sehr rasch als Falle entpuppen:  Eine Dezentralisierung bietet viel mehr Angriffsfläche für imperialistische Infiltrierungen. Eine Dezentralisierung betrifft ohne jeden Zweifel auch und gerade den militärischen Bereich. Damit wird die militärische Schlagkraft des syrischen Staates entscheidend geschwächt, dass ist nicht im Sinn des anti-imperialistischen Widerstandes, das ist im Gegenteil reaktionär.

Solidarische Grüße

Markus

 

PS: Ich empfinde es schon als einen Fortschritt, dass sich endlich wieder der Begriff „Nordsyrien“ durchsetzt. Vor noch nicht all zu langer Zeit mussten wir uns noch ärgern, weil sie dieses Gebiet „Westkurdistan“ nannten.

 

27.04.2018

Lieber Markus,

 

ich stimme dir in der beurteilung des realen verhaltens der gruppen in Nord Syrien und Nord Iraq austrueglich zu. Nur nicht in deiner beurteilung von perspektiven.

Wenn wir ueber das Konzept der Demokratischen Foederation Nord-Syrien

(DFNS) sprechen, dann sprechen wir nicht ueber staaten, sondern ueber geografische raeume, in denen die gemeinden eine hohe selbststaendigkeit anstreben, indem sie ihre lokale oekonomie entfalten. Diese gemeinden kooperieren in diesem raum.

Fuer dich als Schweizer sollte dies ja sehr vertraut sein. Nicht umsonst war die Schweiz seit jeher das zentrum lokaler selbstbestimmung und von daher auch das zentrum fuer die ideen des Anarchismus. Pestalozzi hat viel darueber geschrieben, wie aus dem flachland heraus die zentralismen organisiert wurden, um die lokale selbststaendigkeit zu zerbrechen.

Ganz anders ist es in Nord Syrien. Es kann gut sein, dass es, so wie du es erlebt hast, tatsaechlich dieses konzept aufgesetzt wurde und wird und im denken der menschen die perspektive noch nicht existiert. Wobei ich da auch skeptisch bin, weil in vielen regionen der versuch sich ausbildet, lokale oekonomien entstehen zu lassen. Auch ohne sich dabei auf eine Demokratische Foederation zu berufen, weil davon haengt es nicht ab. Auch Achmed Khammas, der das “Buch der Synergie”

(www.buch-der-synergie.de) in einem internet portal betreibt, hat eine strikte distanz zu den organisierten Kurden im Norden und damit auch zu dem, wovon sie sprechen. Er selbst lebte in Damaskus in einem stadtviertel, das zumeist von kurdischen familien bewohnt war (und ist?).

Aber es gibt ein tieferes problem des gewachsenen und propagierten Rassismus und Nationalismus bei den Kurden. Hier hat die PKK einen ganz entscheidenden anteil. In einer 8-teiligen reportage eines deutschen, der dort aktiv war, beschreibt er sein entsetzen darueber, wie die kurden mit der arabischen bevoelkerung umging. Wie sie tatsaechlich als menschen 2. klasse behandelt wurden. Noch vor kurzer zeit wurden schulen aufgeloest bzw. zwanghaft umgewandelt, weil dort die arabische sprache die erste sprache war. Aber das gilt auch zu Assyrern, Jesiden, Turkmenen und Alawiten. Sein groesstes entsetzen entstand, als er miterlebte, dass ein kurdischer milizionaer ein glas wegwarf, weil ein Nicht-Kurde vorher daraus getrunken hatte. Und das in einer gruppe von kaempfern “fuer die Befreiung”.

Ich vermute, ohne es begruenden zu koennen, dass die kurdischen machtstrukturen und ihr hirnloser Nationalismus die offene tuer ist fuer den “Westen”, um dort einzuwirken.

Wenn ich davon sprach, dass es ploetzlich so ruhig geworden ist, dann meinte ich nicht die aufgesetzte aktion gegen diesen ueberfall durch die Tuerkei in Europa. Auf dieser ebene sind sie immer aktiv und fragen nie, warum ihre “freunde” sie haben sitzen lassen. Mir geht es mehr um die innere debatte, um die reflektionen des aktuellen geschehens, um den diskurs um die verlaeufe. Und da spielt die SDF eine wesentliche rolle, wenn sie von den auslaendischen soeldnern dominiert wird. Die akteure in den strukturen der DFNS und der PYD/YPG/YPJ waren nicht in der lage, offen ueber die illegale besetzung durch truppen der USA, GB und Frankreich von Nord und Ost Syrien zu sprechen. Auch waren sie nicht in der lage, offen darueber zu reden, warum sie die angebote der syrischen regierung mit ihren verbuendeten fuer den militaerischen schutz von Nord-Syrien abgelehnt haben. Wir wissen es heute und wussten es schon gestern.

Aber das alles hat nichts mit der DFNS und seinen konzepten zu tun.

Deswegen sage ich, dass die mafiosen Clans der Kurden die DFNS zerstoert haben, weil sie sie nur missbrauchen fuer ihren eigenen scheiss. Und diese prozesse sehen wir ueberall auf unserem planeten. Das konzept der demokratischen foederation ist ja nicht einzigartig in Nord-Syrien auf unserem planeten. Wir finden es in Afrika, in Latein Amerika, in Asien und Ozeanien. Es ist ein konzept gegen koloniale und imperiale zerstoerung der lokalen lebensbedingungen mit hochverschiedenen kulturellen grundlagen. Extrem deutlich sehen wir es in Indonesien und ihren besetzten inseln.

Das bestreben, monotone gesellschaftliche strukturen entstehen zu lassen, die auf dem konsumismus ruhen, wo der freie fluss von kapitalien und gueter realisiert werden soll, aber nicht fuer menschen und deren Wissen und Faehigkeiten, wo eingezaeunte vorgaerten installiert werden, die die demokratische selbstorganisation aufloesen, bricht gegen das ungestueme festhalten lokaler unabhaengigkeit und selbstorgnisation.

Durch ueberflutung mit geldstroemen, nicht mit ideen, wird die lokale korruption organisiert und so die lokale handlungsfaehigkeit zerbrochen.

Deswegen finde ich es so schade, wenn du mit deiner berechtigten in frage stellung des realen tuns in Nord Syrien das “Kind mit dem Badewasser” auskippst. Unsere differenzen liegen ja viel mehr in unseren eigenen perspektiven begruendet, und weniger darin, wie wir das geschehen in Syrien betrachten und beurteilen.

Mein ansatz ist immer, die Ermechtigung zur Selbstorganisation im lokalen. Auf dieser basis habe ich auch in Latein Amerika gewirkt und bin gescheitert. Wenn ich nach Syrien gehe, werde ich auch auf dieser grundlage wirken und wahrscheinlich scheitern. Ebenso in Eritea und Aethiopien. Die grundlage hierfuer sind keine politischen theorien und konzepte, sondern die entfaltung der lokalen/regionalen technischen infrastrukturen, um in der lage zu sein, all jenes selbst herzustellen, was gebraucht wird.

In den deutsch-sprachigen portalen der kurden finden wir nichts dazu.

Nur billiges geschwaetz. Das gleiche gilt fuer die “Internationalist Commune Rojava”. Aber wir finden viel die ablenkung der eigenverantwortlichkeit, eine billige propaganda gegen die anderen, ein systematisches umgehen einer ehrlichen selbstkritik. Massiv erlebe ich das in Venezuela und Kuba. Der groesste feind staats-kapitalistischer strukturen, die sich oft sozialistisch nennen, ist die lokale selbstorganisation der gemeinden, die sich zu Kommunen entwickeln.

Lokale lebensgemeinschaften mit ihrer lokalen oekonomie.

Vielleicht sind die grundsaetzlichen gedanken einer demokratischen foederation im regionalen noch zu frueh fuer Nord Syrien. Das kann gut sein. Und wenn wir genau hinsehen, was da fuer ein schwachsinn organisiert wird, deutet viel darauf hin. Abdullah Oecelan wurde von

USA/MI6 agenten eingesammelt. Ich vermute, dass seine isolation bei gleichzeitiger weiterer existenz ein gezieltes manoever war, um so in den kurdischen strukturen die kollaboration mit dem “Westen” zu verankern. Thierry Meyssan von Voltairenet geht da ja noch viel weiter und erklaert Abdullah Oecelan zum agenten des “Westen”. Aber dann braeuchten sie ihn nicht isolieren. Und als zugestaendnis fuer den tuerkisch-sunnitischen faschismus macht es auch wenig sinn.

 

Das konzept “demokratischer Foederationen” kann und wird immer ein angriff auf die mafiosen strukturen der kurdischen gesellschaften sein.

Wir wissen, wie sehr sie sich gegen die gleichberechtigung von geschlechtern und von altersgruppen wehren. Abdullah Oecelan sieht selbst als wichtigste vorraussetzung die transformation im denken im kurdischen selbstverstaendnis. Da sind die Armenier, Jesiden und Alawiten schon viel weiter. Das kurdische ist eine extrem reaktionaere kultur. ich habe das selbst erlebt vor 25 jahren, als ich mit einem tuerkischen freund auch in der Ost-Tuerkei unterwegs war. Selbst fuer meinen freund waren die kurdischen machtstrukturen und oligarchialen konstruktionen entsetzlich. Wie frei fuehlten wir uns damals, als wir endlich in Antakya ankamen. Aber das hat sich auch geaendert, wie mir erzaehlt wird.

Viele dokumente weisen darauf hin, dass die Kurden massiv an dem genozid

1915 der christlichen Armenier beteiligt waren. Das ist ja immer noch ein dunkler raum, wer und warum sich damals beteiligte. Wir koennen die auesseren einwirkungen nie zur grundlage machen. Auch nicht das Sykes-Picot-Ablommen inclusive dem russischen vertreter. Solche prozesse setzen immer auf den lokalen/regionalen strukturen auf. Auch die geschichte von Latein Amerika, Afrika und Ozeanien ist voll davon. Und in Palastina sehen wir das gleiche.

Der “Westen” agiert wie das roemische Imperium. Lokale eliten werden gekauft und dann gegeneinander ausgespielt, um sie unwirksam zu machen.

Nur bei den Germanen und Teutonen hat es damals nicht funktioniert.

Aehnliches erlebten etwas spaeter die Inkas mit den Aymaras im heutigen raum Sued-Peru, Bolivien und annektiertes Nord-Chile. Viel spaeter, im raum der Mapuche, finden wir wieder das gleiche.

Eine bedingung zum aufbrechen von regionen wie Suedwest-Asien ist der mangel ihrer inneren kommunikation und freier fluesse von Information und Ideen. Das sehen wir gut an den deutsch-sprachigen kurdischen portalen. Da wird ein systematisches trennen praktiziert. Da werden die Scheuklappen organisert. Nur so ist es dann moeglich, in einem hochvielfaeltigen raum eine einzelne gruppe heraus zu loesen. Hier wirken die manifestationen von partikular interesen, oder tribe-egoismen, wie Gilad Atzmon es bezeichnet, gegen universale prinzipien. Das ist auch die basis fuer ein zusammen gehen mit den israelischen Rassisten und Faschisten zum kolonialen landraub. Weil, was ist die besetzung von Ost-Syrien anderes, wenn dort arabische und turkmenische menschen leben.

Zur zeit koennen wir ja nur in unserem deutsch-sprachigen raum agieren.

Und, wenn wir genau hinsehen, haben wir ja auch dort aehnliches:

Egoismen gegen die Gemeinschaften. Ich nenne es: Egoismus oder Communismus.

Aber du solltest vorsichtig sein, dies auf das konzept der demokratischen Foederation zu fokussieren. Weil in Nord-Syrien unter dem diktat mafioser und elitaerer kurdischer gruppen geht es um rassistisch-national verbraemte Partikular-Interessen und nicht um die gleichwertigkeit der vielfaeltigen im raum einer demokratischen foederation von selbstaendigen gemeinden.

mit lieben gruessen, willi

Asuncion, Paraguay

 

27.04. 2018

Lieber Willi

Besten Dank für deine letzte, ausführliche Mail. Ich meine, wir können nun diese Korrespondenz beenden. Ich denke unsere Positionen, unser Konsens und unser Dissens in dieser Frage sind geklärt:

Wie du vertrete auch ich die Ansicht, dass lokale, selbstbestimmte, autonome Strukturen spannend sein können.

Anders als du bin ich jedoch dezidiert der Meinung, dass diese das Gegenteil bewirken, wenn sie sich in einem vom Imperialismus angegriffenen Land entwickeln sollen.

Der Ausgangspunkt unserer spannenden Debatte war die aktuelle Situation im umkämpften Nordsyrien. Diese können wir unmöglich von der globalen politischen Situation los lösen, wenn wir eine stimmige Analyse leisten wollen.

Nein, ich bin nicht der Meinung, dass ich „das Kind mit dem Badewasser ausschütte“, wie du schreibst. In Kürze nochmal meine Beweggründe für meine Argumentation:

* In Tat und Wahrheit schon sehr viel länger, akut jedoch seit 2011 ist Syrien ein vom Imperialismus und Zionismus angegriffenes Land.

* Will Syrien diese Angriffe abwehren, ist es in erster Linie auf eine starke Armee, auf die Einheit des Landes und der Bevölkerung und auf integre Verbündete angewiesen.

* Auf gar keinen Fall sind spalterische Experimente in Zeiten des Krieges statthaft, da wirken solche Bestrebungen nicht einigend sondern als Spaltpilz und sind somit reaktionär. Solche kleinen Einheiten bieten dem Imperialismus ein leichtes Feld, um mit Geld, Manipulationen und auch Waffen Einfluss zu nehmen.

* Das Ministerium für Versöhnung in Damaskus unter dem oppositionellen

(!) Minister Ali Haidar trägt den Anliegen der Bevölkerung Rechnung, indem die divergierenden Fraktionen an den Verhandlungstisch geholt werden. Voraussetzung ist allerdings dass diese bereit sind konstruktiv an der Zukunft des syrischen Staates mitzuarbeiten.

* Die gesamte Bevölkerung Nordsyriens sollte sich dem Widerstand der syrischen Armee gegen die völkerrechtswidrige Besatzung durch die USA, die NATO und deren Vasallen anschliessen.

* Konstruktive und fortschrittliche Experimente können nur unter der Bedingung verwirklicht werden, dass der syrische Staat seine unbedingte territoriale und politische Souveränität erhalten kann. Das bedeutet

konkret: Imperialistische Mächte, deren Söldner und Vasallen sofort raus aus Syrien!

* Schluss auch mit jeder politischen Einmischung in die inneren Angelegenheiten Syriens!

* Ideen, Lösungen und Initiativen, die weder die aktuell bitter notwendige militärische Stärke der syrischen Armee, noch die Einheit des Landes unterminieren sind schon jetzt jederzeit möglich.

 

Der Grund warum hier mit so viel Eifer eine „neue Gesellschaft“, die ausgerechnet im angegriffenen Syrien etabliert werden soll, orte ich einerseits in eurozentristischer Arroganz und andererseits darin, dass die Gesellschaften des Westens moralisch und visionär vollkommen bankrott sind. (Wenn dem nicht so ist: Warum dann nicht die Visionen in Europa oder in den USA verwirklichen?) Weder haben die Menschen in Syrien (nicht nur in Nordsyrien) nach europäischen Vorschlägen wie sie ihr Leben und ihre Gesellschaft gestalten sollen, gefragt noch brauchen sie solche.

Wichtig und zukunftsweisend ist hingegen der panarabische Gedanke der Einheit.

Unsere Aufgabe hier, im Herzen der Bestie, ist die Aufklärung über die Angriffe des Imperialismus. Unsere Aufgabe hier, im Herzen der Bestie, ist es alles in unserer Macht stehende zu tun, um  diese Angriffe zu verhindern. Der Versuch, dem Imperialismus dienliche Modelle (auch wenn sie im fortschrittlichen Mäntelchen daherkommen) einem angegriffenen Land aufzupropfen hingegen ist spalterisch und reaktionär.

 

Solidarische Grüße

Markus

 

27.04.2018

Liebe freunde,

ich habe mich jetzt doch noch dazu entschieden, meine gedanken zu den beiden beitraegen von Markus und Detlev weiter zu geben.

Lieber Markus,

du machst meineserachtens 2 grosse fehler in deiner betrachtung.

1) du negierst die geschichte. Dass der “Westen” in Syrien einwirken kann, direkt und indirekt, hat mit den “offenen Wunden” oder “offenen Venen” zu tun. Ich verwende diesen ausdruck von Eduardo Galeano aus Uruguay, weil er hier sehr gut passt. Und ich kenne es aus Venezuela, Ecuador, Nicaragua und Bolivien.

2) Die menschen in Syrien suchen jenes, was konzeptionell die Demokratische Foederation transportiert. Das finden wir ueberall ausserhalb des “Westen”. Also ueberall dort, wo die menschen den preis dafuer zahlen, dass die menschen im “Westen” ein ruhiges und beschauliches leben fuehren koennen.

Es waere richtig, die Kurdischen “fuehrungsstrukturen” mit diesen prinzipien zu konfrontieren, weil so sofort klar wird, dass sie nur ihre individuellen partikular-interessen verfolgen. Damit kommen wir in eine initiative position, die auch in die zukunft fuehrt.

Dein standpunkt erzeugt den Detlev’schen “Burgfrieden” in Nord Syrien gegen Syrien. Unterstuetzt die propaganda dort gegen Syrien, Russland und den iran. Setzt nicht an den inneren widerspruechen an, sondern versucht, einen kahlschlag zu organisieren nach dem motto: Wer nicht mein freund ist, ist mein feind.

Das hat natuelich damit zu tun, dass dir die prinzipien der Demokratischen Foederation hochselbstaendiger Gemeinden unbekannt und vielleicht auch fremd sind. So siehst du nur noch einen grossen graben, der trennt. Das war auch der groesste fehler der Bolschewiki in Russland, was dann nach Lenin zu Stalin gefuehrt hat.

 

Lieber Detlev,

dein “Burgfrieden” ist ja sehr richtig. Wir sehen es im “Westen”. Der versuch, hinter die kulissen zu sehen, wird mit brachialgewalt angegriffen. Das ziel ist die vollstaendige Monotonie. Der “Burgfrieden”. Ein eingeschlossener raum, der sich selbst zelebriert.

Goebbels war ja ein entschiedener kaempfer fuer dieses prinzip. Die NeoCons und ZioCons haben auch von ihm gelernt. In der Bild und Focus Twitter kampagne koennen wir das heute in Deutschland sehr gut sehen.

Dort finden wir nur noch schlammschlachten ala Franz Josef Strauss. Die voellige dekultivierung.

Sich aus allem heraus halten? Sich nicht betroffen fuehlen? Was ist das.

Du kannst es dir leisten, weil vielleicht fuer dich das elend so weit entfernt ist. Ich sehe es taeglich. Und ich sehe die gleichen akteure im hintergrund. Der europaeische (oder “westliche”) Kolonialismus, den wir heute Imperialismus nennen. Die methode des Raubs und der Zerstoerung.

Ich glaube nicht, dass du dir darueber bewusst bist, dass deine lebensweise nur auf dem Raub ausserhalb des “Westens” sich gruendet.

Und du entziehst dich der verantwortung, dass du dich selbst passiv an dem geschehen in Syrien gegen die bevoelkerung in Syrien beteiligst, weil du es zulaesst. Die deutschen kriminellen banden des politischen ueberbaus machen laesst.

Liebe freunde,

ich bin ja immer sehr optimistisch gestimmt, weil die zeit fuer uns arbeitet. Aber mit der initiative von Russland gegen Saudi Arabien und ihre zerstoerung des Jemen waechst mein optimismus. Der bruch des “Westen” von der restlichen bevoelkerung des planeten wird nun auch deutlich sichtbar.

Noch ist das Dollar-System aktiv. Nicht stabil. Aber an dieser stelle beginnt der zusammenbruch. Dahinter verbirgt sich die sich ausbildende technologische unabhaengigkeit des “Osten”, oestliches Europa und Asien.

Militaerische aktionen sind nur das beiwerk. Wir brauchen es eigentlich nicht. Auch Russland braucht es nicht. Aber es hilft, faktische begrenzungen zu installieren. Nicht “rote Linien im Sand”.

 

Avigdor Lieberman, der israelische kriegsminister, hat sich weit aus dem fenster gelehnt. Er ist Russe und meint, er hat auch Russland im griff.

Es sieht so aus, dass er sich ueberschaetzt hat. Das Gaza Massaker werden sie nicht mehr los. Und der 70. jahrestag der Nakba steht vor der tuer.

 

mit lieben gruessen, willi

Asuncion, Paraguay

 

28.04.2018

Lieber Willi

Zu den „zwei grossen Fehlern“, die ich deiner Meinung nach in meiner Betrachtung mache:

1.) Eduardo Galeano und sein grosses Werk „Die offenen Adern Lateinamerikas“ ist mir bekannt. Syrien mit Galeano erklären zu wollen geht nicht; Syriens „Adern“ waren niemals offen, im Gegenteil war und ist Syrien sowohl ein friedfertiges, als auch ein äusserst wehrhaftes Land.  Ebenso bin ich in der Geschichte der arabischen Völker zwar kein Experte aber dennoch nicht ganz unbedarft. Deinen Vorwurf, „ich würde die Geschichte negieren“ übergehe ich also, weil er überhaupt nicht zutrifft, was  auch unschwer aus meinem bisherigen Mailverkehr mit dir ersichtlich ist.

2.) Wie kommst du darauf, dass „die Menschen in Syrien jenes suchen was konzeptionell die Demokratische Föderation transportiert“? Mit wie vielen Menschen in Syrien hast du gesprochen, dass du mit einer derartigen Selbstverständlichkeit eine solche Aussage machen kannst? Ich kann dir wirklich versichern, dass wir genug Informationen aus Syrien haben. (Und zwar aus erster Hand, nicht vom Hörensagen!) So können wir dir und allen die es hören wollen versichern, dass wir buchstäblich niemanden gefunden haben, der sich eine „demokratische Föderation“ o.ä.

wünscht. Sollte ein solches Konstrukt wirklich in Nordsyrien Fuss fassen, dann käme das einmal mehr von aussen, wäre also mithin das Gegenteil von Selbstbestimmung.

Wenn ich für die Einheit Syriens und darüber hinaus für die historisch gewachsene Einheit des arabischen Raumes, den Panarabismus  plädiere, dann ist es falsch ausgelegt, wenn dies als  „Burgfrieden in Nordsyrien gegen Syrien“ aufgefasst wird. Die Bevölkerung Syriens ist eine sehr klare und in der Krise gewachsene und gestärkte Einheit. In ihrer absoluten Mehrheit erkennt diese Bevölkerung sehr wohl was der Westen mit Syrien vorhat und verteidigt ihr Land und ihre Identität mit Überzeugung.

Da sind die Vereinigten Staaten von Amerika mit der US Armee als Angriffstruppe. Da ist ein  vereintes Europa mit der NATO als Angriffstruppe. Wie man vor diesem Hintergrund für „Prinzipien der demokratischen Föderation mit hochselbstständigen Gemeinden“ eintreten kann, ist mir wirklich schleierhaft. Dies umso mehr, als ausgerechnet im Norden Syriens wichtige Ressourcen sind, vor allem Öl und Wasser, welche der gesamten syrischen Gesellschaft gehören und auch allen zu Gute kommen sollen. Die Aufsplittung in kleine und kleinste Entitäten macht eine Gesellschaft als solche angreifbar, die Einheit hingegen macht sie sowohl ökonomisch stark, als auch militärisch  verteidigungfähig. Muss ich dich wirklich an all die versuchten und vollzogenen imperialistischen Spaltungen erinnern? (Sykes-Picot, Aufsplittung des afrikanischen und südamerikanischen Kontinents in kleine und kleinste Staaten, Aufsplittung Jugoslawiens, die Liste liesse sich fortführen).

Deine Aussage, „mein Standpunkt würde die Propaganda dort gegen Syrien, Russland und den Iran unterstützten und einen Kahlschlag organisieren“ ist nicht begründet. Und: Von welchen „inneren Widersprüchen in Nord Syrien gegen Syrien“ redest du? Wir haben nur Menschen gefunden, die gemeinsam mit der syrischen Regierung und Armee für ein Ende der illegalen Besatzung und der illegalen Angriffe durch die USA, die NATO und deren Vasallenbanden einstehen und tapfer kämpfen. Innere Widersprüche mag es, wie überall, auch in Syrien geben. Sie treten jedoch vor der barbarischen Aggression des Westens in den Hintergrund.

Nirgendwo wurde uns gegenüber der Wunsch nach einer „demokratischen Föderation“ geäussert. Vielmehr ist dies eine Fantasie des Westens.

Bezeichnenderweise bekommen Kurden, welche für die Einheit Syriens sprechen im Westen keine Stimme.

Nochmal: Experimente wie „demokratische Föderation“ u.ä. mögen spannend sein. Sie in Zeiten des Krieges und der Aggression in einem angegriffenen Land verwirklichen zu wollen spielt jedoch dem imperialistischen Feind in die Hände und machen sie somit zu einem Instrument der Aggressoren . Meinen Einspruch dagegen als „Burgfrieden“ zu bezeichnen und mindestens latent einen Konflikt zwischen der Bevölkerung Nordsyriens und Syriens herbei zu reden ist zynisch.

Solidarische Grüße

Markus

PS: Darf ich dich noch darauf aufmerksam machen, dass  es sich bei der „Initiative von Russland gegen Saudi-Arabien“ um ein Missverständnis handelt? Das war eine Satire. Siehe dazu:

Putin droht mit Luftschlägen gegen Saudi-Arabien

Hätte man eigentlich auch schon im Text selber ohne den Hinweis am Ende des Artikels merken können.

Lieber Markus,

 

ich habe die antwort von Samy Yildirim gleich mit dazu genommen, weil sie so gut zum thema passt, um sie auch an die anderen mitleserInnen weiter zu geben zusammen mit deinen gedanken.

 

Ja, es war ein Traum, dem ich einfach so gefolgt bin. Endlich ein ende mit diesem absurden wahnsinn, den wir heute erleben. Die problematik hierbei ist das, was ich immer als “Kettensaegen-Syndrom” bezeichne. Die moeglichkeiten nehmen zu, hier durch technische systeme, um das Irre im Denken in der tat zu maximieren. Waren frueher viele menschen ueber lange zeit notwendig, um einen hektar wald zu vernichten, kann das heute eine person in einem tag.

 

Als ich den text von “AugenAufUndDurch” von Ulrich Teusch las, war mir natuerlich klar, dass auch er hier einen traum beschreibt. Und so wollte ich die kalte realitaet nicht anerkennen. Wollte so tun, als haette ich so manches wissen nicht. Herr Putin mit Herrn Lawrow waeren niemals bereit, ein anderes land anzugreifen zu lassen. Auch das russische militaer nicht. Dazu sind sie den grundlagen der UN-Charta viel zu sehr verpflichtet.

 

Aber wir als buerger dieses planeten koennen doch jede praktische solidaritaet mit unseren freunden ueben und sind hier nicht an staatliche konstrukte gebunden. Die frage ist dann eher, wie wollen wir dies tun.

 

So bin ich bei unseren beiden punkten, die ich so skizzierte, obwohl ich weiss, dass vieles dagegen spricht.

 

Koennen wir als Deutsche, fuer dich vielleicht als Schweizer etwas anderes, Konrad Adenauer in seiner extrem mafiosen arbeitsweise verantwortlich machen fuer das, was wir heute Deutschland nennen? Werner Ruegemer hat sich ja intensiv damit beschaeftigt.

 

Der kern ist, dass wenn wir es zuliessen und zulassen, wir auch mitverantwortlich sind. Das hauptelement sind immer die anerkennung von kapitalkonzentrationen, die dann den akteuren “unbegrenzte” macht und moeglichkeiten einraeumt. Und das ruhend auf fiktion.

 

Fuer mich ist das extrem merkwuerdig, warum die menschen das billige theater mit dem FIAT-Geldsystem nicht wahrhaben wollen. Und wie sehr es aus allen politischen debatten heraus faellt, auch bei aufgeklaerten geistern. Obwohl es doch das zentrale element ist. Das ist auch der grund, warum ich in unserem kreis die debatte um die MMT (Modern Money

Theory) so stark forciere (bekraeftige). Nur, so “modern” ist sie ja auch wieder nicht.

 

Die absolut ueberwaeltigende mehrheit der Deutschen will eine friedliche kooperation mit Russland. Die wenigen, die den politischen ueberbau gestalten, suchen den krieg gegen Russland, um sich dessen natuerliche ressourcen anzueignen. Ganz wenige bestimmen den informationsfluss in den sogenannten Medien. Diese wenigen definieren nun eine “oeffentliche Meinung”. Und, aus irgendwelchen mir unbekannten gruenden, werden diese wenigen permanent zelebriert? Auch von den angeblich so kritischen geistern aus NDS, Rubikon, KenFm. Was soll das?

 

Ulrich Gellermann von Rational-Galerie beschreibt es ja richtig und arbeitet sich trotzdem stetig daran ab.

 

Viele leute, auch in Syrien, Tuerkei und Iraq, verweisen auf die hohe vielfalt im spirituellen, kulturellen und ethnischen selbstverstaendnis.

Das ist massiv auch in Latein Amerika zu sehen. Die chance ist, endlich die zwangskoerperschaft “Staat” mit seinen parasitaeren und buerokratischen grundlagen aufzuloesen. Nur die wenigen eliten halten daran fest.

 

Wir wissen doch alle, dass die konzepte der Gottesstaaten wie Israel, heutige Tuerkei, die feudalen Golf-Faschismen ein instrument sind, die Monotonie geld-orientierter zwangskoerperschaften zu implementieren.

Auch die “islamischen” soeldner agieren fuer die geld-interessen fuer sich und ihresgleichen.

 

Was ist nun die antwort darauf? Ein anderes staatliches zwangskonstrukt?

In diesen heutigen extremen zur erhaltung souveraener lebensraeume ist das keine falsche antwort. Es ist zumindest ein Bremsklotz. Mehr aber auch nicht.

 

Wenn nun eine mauer errichtet wird gegen Nord Syrien und von dort eine mauer gegen den rest von Syrien, dann gewinnen die akteure von staatlichen zwangskoerperschaften. Egal jetzt in welche richtung sie stroemen, weil das ziel immer fiktive geldstroeme sind.

 

Der einzige gegenpol ist der bezug auf die gemeinden. Auf der basis der Volkssouveraenitaet, also dass immer die bevoelkerung der souveraen in einer region ist, und dieser Souveraen in gemeinden lebt und nicht auf einem haufen, ist dies auch rational begruendet. Aber damit spielen spirituelle, kulturelle und ethnische unterschiedlichkeiten keine rolle mehr, weil es immer souveraene einheiten des ganzen sind. Und was das ganze ist, ist ja auch noch offen. Vielleicht ganz Suedwest-Asien?

 

Ich vermute, dass die akteure der staatlichen zwangskoerperschaften auch in der Baath-Partei sehr wohl und sehr gut verstehen, was ihre “offenen Venen” waren, was meines erachtens trotz deinem widerspruch sehr gut passt. Es ist die eigene schwaechung, die immer aus dem vollzug von elitaeren und parasitaeren partikular-interessen erwaechst.

 

Lawrow hatte schon frueh erklaert, dass er den konzepten der “Demokratischen Foederation Nord Syrien” hohe sympathie entgegen bringt.

Er ist Russe und in Russland waren und sind, wie es zuletzt auch Kai Ehlers darlegte, die starken lokalen gemeinden bis hin zur hohen faehigkeit zur selbstversorgung immer ein tragendes element. Das galt bis vor kurzem (oder langem) auch fuer die Schweiz. In Deutschland habe ich die zerstoerung starker lokaler oekonomischer selbstorganisation in den 50er jahren und spaeter selbst erlebt.

 

Eine der konsequenzen ist, dass wir die entfaltung lokaler oekonomischer unabhaengigkeit trennen von der gemeinsamen verteidigung grosser regionler raeume, um unsere lokale handlungsfaehigkeit zu erhalten. Und an dieser stelle setzt meine kritik an deinen gedanken an, weil du die bestrebungen der verteidigung absolutierst und damit aber die basis fuer das gemeinsame in den raum von zwangskoerperschaften transportierst, wo sich dann viele nicht mehr wiederfinden.

 

Der “Westen” macht sich total laecherlich. Ist eine billige attrape der verbloedung. Wir sollten ihn nicht zusehr ernst nehmen. Die handlungsfaehigkeiten ihrer daemlichen eliten zerfallen in die asche des muells. Auch Israel, nicht West-Palaestina, sondern das besatzungsregime in West-Palaestina, zerfaellt vollstaendig. Leider nicht durch eine massive aktionsfront des subversiven durch die PalaestinenserInnen, weil sie noch keine perspektiven fuer ihren raum Palaestina, Ost und West, haben. So sind auch sie offen fuer jeden schwachsinn bis hin zu den “Muslim Brotherhood”. Ein zwar simples, aber gutes beispiel ist die vorgabe der Hamas in Gaza, dass frauen nicht fahrrad fahren duerfen.

 

Ich will damit deutlich machen, lieber Markus, dass die “offenen Venen”

zum einfall der Parasiten ueberall existieren. Eduardo Galeano hat sich spaeter selbst von seiner schrift distanziert, weil er darin die Latinos zu positiv beschrieben hatte, wie er es nannte. Speater meinte er, die Lationos sind total verbloedet, weil sie keine identitaet haben und jedem schwachsinn hinterher rennen. Hauptsache, geld fliesst.

 

Das ist auch die grundlage fuer Alvaro Linera (Bolivien), Rafael Correa (Ecuador), Lula (Brasilien), Hugo Chavez und Nicolas Maduro (Venezuela), Daniel Ortega (Nicaragua) und immer mit ihren Clans. Wenn wir uns nicht von diesen gezuechteten zwangskoerperschaften, die immer auf dem Extraktivismus, der Pluenderung natuerlicher ressourcen ruhen, trennen, haben wir keine chance. Weil da geht es immer nur um fiktive geldfluesse fuer den parasitaeren apparat.

 

Das koennen wir sehr gut in den strukturen in Nord Syrien, in der Ost-Tuerkei, in Nord Iraq sehen. Strategie, die langzeitig entworfen ist, gibt es da keine. Da gelten immer nur kurzzeitige taktiken, um den individuellen interessen zu dienen.

 

Das ist fuer mich die “offene Vene” in Nord Syrien. Ich weiss, dass die philosophischen konzepte der Demokratischen Foederation hoch diverser Entitaeten nicht gegenstand einer offenen diskussion in Syrien sind. Und jetzt auch verabscheut wird, weil es zu einer kollaboration mit den imperialen gruppen des “Westen” sich entfaltet hat. Nach aussen, propagandistisch. Nach innen werden diese konzepte verworfen, das Alte setzt sich durch, zwangsstrukturen mit ihren Luegen beherrschen den raum.

 

So bleiben die “offenen Venen” offen. Die geschlossenheit ist nicht vorhanden, wie wie es sehr gut sehen an so manchen treffen in Nord Syrien. Die Einheit wird beschworen, weil sie nicht existiert. Sonst macht es ja keinen sinn. Unsere freunde in Russland sehen das sehr gut.

Lassen sich zeit. Die klaerung muss aus dem inneren wachsen. Die illegalen besetzungen durch den “Westen” in Nord und Ost Syrien haben keine basis. Das geschwaetz der westeuropaeischen Dummschwaetzer aus dem politischen ueberbau ist wertlos.

 

Karin Leukefeld hat sich damit beschaeftigt. Nimmt es ernst. Ich verstehe nicht, warum. Hat sie so wenig vertrauen in die SyrerInnen, dass sie sich damit in die enge treiben laesst? Geht sie davon aus, dass alle SyrerInnen so einfach gekauft werden koennen?

 

Endlich wieder Krieg!

https://www.rubikon.news/artikel/endlich-wieder-krieg

 

Brussels II Conference on ‘Supporting the future of Syria and the

region’: co-chairs declaration

http://www.voltairenet.org/article200939.html

 

Der Libanon ist gegen die Konferenz von Brüssel II http://www.voltairenet.org/article200957.html

 

Es sind alles billige traeume, die an den realitaeten zerschellen.

 

mit lieben gruessen, willi

Asuncion, Paraguay

 

 

 

 

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

Ein Gedanke zu „Kurden in Nordsyrien – ein Dialog über Befreiung“

  1. “Sozialismus oder Barbarei.”

    – Rosa Luxemburg

    Hat in der Krise das Großkapital ein bürgerlich-rechtes; je nach Stärke der organisierten Arbeiterklasse, auch offen stiefelfaschistisches Regime aufgebracht, kann der Nationalstaat zum Instrument der Repression und des imperialistischen Krieges werden, das ist richtig. Doch dies ist unter kapitalistischen Bedingungen kein Argument gegen den Nationalstaat, sondern ein Argument für die Überwindung einer Denk- und Wirtschaftsweise, in der Krieg ein Geschäft war, ist und bleiben wird, solange der Kapitalismus besteht.

    Wie konnte die Reaktion es schaffen, etwas derart leicht erkennbar Grundlegendes aus dem Bereich des Selbstverständlichen zu entfernen?

    Zuerst ist durch Solidarität der Völker die Barbarei des Kapitalismus und des Imperialismus zu überwinden. Erst daraus ergeben sich Möglichkeiten, die Nationalstaaten aufzulösen.

    Weil erkennbar die Völker ohne eigene staatliche Infrastruktur schutzlos den Angriffen der “menschenrechtlich” oder wie auch immer getarnten Kapitaldiktatur ausgeliefert sind, deshalb steht doch im Ergebnis rechts und betreibt das Geschäft der Mörder Che Guevaras, das Geschäft des Imperialismus, wer es umgekehrt machen will. Was ist daran so schwer zu begreifen?

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