Nachtisch bei Vortisch im “Garten Eden”? beggars banquet & Pirker-Müsli?

Wie die Dusche gegen die Luxusbadewanne gewann oder Als einmal ein Beton-Facharbeiter die MSB Spartakus-Genossen Herrant Vortisch & Werner Pirker von der bürgerlichen auf die proletarische Linie zurückholte

Das mit der Luxusbadewanne hat der einstige führende Frankfurter MSB Spartakus-Funktionär Herrant Vortisch lohnend weiterentwickelt: heute betreibt er eine, wenn nicht DIE führende Wellness-Anlage, den “Garten Eden” vor den Toren EZBankfurts in Neu-Isenburg

Der Begriff “Pirker-Müsli” in der Überschrift ist ein totaler Fehlgriff: erstens hat Werner nicht gefordert “Vegetarier aller Länder, vereinigt euch!” und zweitens schon gar nicht wie die gut gebräunten Züricher Bircher-Propheten die Vereinigung der Veget-Arier gefördert.

Als Redakteur des Zentralorgans der KPÖ, der “Volksstimme” ging er als deren Korrespondent nach Moskau und wurde später der fähigste Kolumnist der linken Tageszeitung “junge Welt”, der bis zu seinem Tod seine Analysen mit der Rasierklinge zu schreiben schien. Für mich hat sein Tod nach dem Hirnschlag Wolfgang Stryis das zweite nicht wieder erfüllbare Loch ins Leben geschlagen.

Vorne Herrant Vortischs damalige Freundin Maryse und dahinter damals noch eng befreundet: Werner Pirker und Herrant Vortisch

Werner Pirkers Buch: “Dialektik der Konterrevolution” hat Erich Schaffner mit einer Lesung am 13.11.2014 im Frankfurter Club Voltaire vorgestellt. Einen kongenialeren Vorleser hätte sich Werner gar nicht wünschen können

Linker Transparenthalter Werner Pirker, rechter Transparenthalter Herrant Vortisch. Ob’s die Genossinnen zum Nachtisch gab? Nö! Wenigstens Maryse, die Herrant in Paris kennen gelernt hatte, war zu stark.

Werner spielt mit verschlüsseltem Namen in meinem Frankfurt HistoPolitKrimi “Die Putztruppen” nicht von ungefähr eine Hauptrolle:

Werner Pirker von der Geburtsgruppe 47 -wie ich auch- wohnte mit mir zusammen in einer  politisch bunt zusammengewürfelten Frankfurter WG in einem von uns instandbesetzten Haus 1971/72/73 im  nach dem Westend zweitedelsten Franfurter ehemaligen Judenviertel nördlich des Bethmannparkes im Bereich Mauerweg untere Bergerstraße .. im Bäckerweg 4. Alles war vertreten: Mitglieder des Weiberrrates,Trotzkisten der vierten Internationalen, ein Israeli im Exil, Spontis, MLer, DKPler, unabhängige Linke, SDSler, AUSSler, RäteKommunisten, Anarchisten, Feministinnen, ein schwules Päärchen “Sie”, der aus Michelstadt geflohene jüngste Sohn eines Biologie-Oberstudienrates, “Er”, der aus Kronberg geflohene Sohn  des “Sonnenhof”-Hoteliers, der als ausgebildeter Koch schon in der “Uhlandkommune”  die gesamte WG gelegentlich edelbekocht hatte. Schließlich war der Schah  Reza Pahlewi bei seinem Deutschlandbesuch – mit seiner Fahrah Diba (oder wars die Soraja?) und seinen Geheim-Dienst”Jubelpersern” im Sonnenhof abgestiegen… Nach zwei damals noch nicht erbfolgebelasteten Liäsonen mit Küchenjungen, wurde der verlorene Sohn  im Personalwohntrakt bei seinen Geliebten untergebracht und enterbt. Ein tiefer Fall ins Proletariat mit erheblichen Integrationsproblemen.  Nun, das einzige echt proletarische Element, war der aus Zwingenberg stammende Beton-Facharbeiter Bierwirt. Er hatte nach zwei Jahren Arbeitslosigkeit  in Frankfurt einen Job als Rausschmeisser  beim “Underground”-Jazz-Beat-Disko-Keller am oberen Deutschherrenufer gefunden. Sein Spitz- und Dienstname war Tiger.  Dass er zehn Jahre später  nette Postkarten aus CineCity bei Rom schrieb und uns mitteilte, dass er jetzt fast in jedem Italo-Western als Stundman, Dauerkomparse recht gut Geld verdiene, wunderte uns üüüberhaupt nicht. Wir gingen in die blödesten Italos, nur um Tiger wieder zu sehen..

Tiger war ein Bär, ein Gorilla, aber ein Seelchen von Mensch. Vor dem “Underground” machte er Dealer platt, die seine Mädels anfixten. Er hatte ein gutes Gespühr für die Beimixung harter Drogen… er kannte seine “Pappenheimer”. Nein, er war kein Zuhälter. Er hätte den Glöckner von Notre Dame wahrscheinlich ohne Maske besser spielen können als Charles Laughton.  Tiger wollte “seine Kinder” vor dem BÖSEN schützen. In den Bauernkriegen hätte er den BodyGuard von Thomas Müntzer gemacht. Er hatte schon einige Male wegen Körperverletzung gesessen.  Wegen ein paar Pfund besten Libanesen, die er für seinen “Underground”-Chef aus Amsterdam holen musste, musste er kurz vor dem Ausbruch des Kampfes zwei Linien aus dem Bäckerweg weg vorübergehend in Butzbach einrücken.

Es lief bis dahin alles super, es gab regelmäßige Mietervollversammlungen mit in 6 Sprachen geführten Debatten.. ,  Thomas Weisbecker war nach der Uhlandkommune zwar mit in den Bäckerweg gekommen, aber  meist  für die Revolution unterwegs. Ob es schon die “Bewegung 2.Juni” war, ich weiß es nicht mehr so genau. Sein Zimmer konnten wir anderweitig nutzen. Holger Meins und er waren in unserem Cineastisch-Literarischen Verein akiv, der Dokumentar-Filme zur Heimrevolte und zur Schüler- und Lehrlingsbewegung produzierte. In Thomas Zimmer konnten wir viele Kids von der Staffelberg-Kampagne verstecken und legalisieren, so lange unterbringen, bis wir schulische und betriebliche Ausbildung organisiert hatten, unter der Schirmherrschaft von Professor Mollenhauer, seinem Assistenten Friedhelm Nyssen, Monika Seifert-Mitscherlich und dem Frankfurter JugendamtsChef Faller,  …. etwas störend, lästig waren die häufigen Besuche von John Rubinow, dem Sohn des Chefs des Amerikanischen Handelszentrums, der junge US-Revolutions-TouristINNen mit  seinen Kontakten zu berühmten REVOLUTIONÄREN beeindrucken wollte.  Dieser Kordeldepp im Zweireiher mit Fliege, wenn er nicht gerade sein Revolutionskostüm angezogen hatte, gefährdete mit seiner Aufschneiderei auch unsere GI-Vietnam-Deserteurs-Verteilung nach Frankreich, Schweden usw… Das Großmaul hatte uns sogar  bestgefälschte Papiere für die Deserteure versprochen, wegen seiner “guten Kontakte im US-Generalkonsulat” … doch auch dieses vermutliche U-Boot im Vorstandsbereich des Aktionszentrums Unabhängiger und Sozialistsicher Schüler  (AUSS), Reinhard Kahls Busenfreund konnte uns nicht aus der notwendigen Arbeit bringen …

bis es eben zu diesem verdammten Kampf zweier Linien kam: der proletarischen gegen die bürgerliche Linie bei der Instandhaltung und Renovierung des besetzten Hauses, das sich ein Rechtsanwalt aus Kronberg so um 1939 zurechtarisiert hatte. Die schräge Mauerhöhle für die Thorarolle neben dem Hauseingang haben wir unter dem abbröckelnden Putz entdeckt.. Die Mitbesetzer aus Italien, Griechenland, der Türkei, Portugal und Spanien hatten üüüberhaupt kein Verständnis für diese  grundlegende politische Frage… aber die waren ja noch nicht so weit. Die begannen ja erst als anatolische Kleinbauern und solche aus Andalusien und aus dem Mezzogiorno, von der Mani und aus Lakonien sich zu modernen Proletariern zu entwickeln (insofern war die Anwerbung von preisgünstigen Gastarbeitern eigentlich ein Akt der Entwicklungshilfe, an der Friedrich Engels seine helle Freude gehabt hätte und sein Freund Karl ?  Na ja, etwas weniger, weil der doch die asiatische Produktionsweise und das russische Dorf im Kopf hatte, das so weit vom anatolischen nun nicht entfernt war…Aber das führt jetzt etwas weit ab von der Geschichte…. Der proletarische Standpunkt in punkto Badezimmer-Einrichtung/-Einbau war die Duschkabine, die sowohl eine zweite Toilette als auch noch eine Speisekammer ermöglichte. Die bürgerliche Linie bestand auf einer Luxusbadewanne (dabei gab es gleich um die Ecke am Merianplatz ein öffentliches Wannenbad für alle, die für die Badewannen in den Wohnungen keinen Platz hatten. Und das waren in der Regel die Proleten… die hatten -wenn überhaupt- zuhause eine Dusche…..). Noch lang vor Barschel und dem Ohrwurm “die Wanne ist voll!” war die Badewanne Sinnbild für die bürgerliche Linie. Und ihr Hauptvertreter war der MSB-Platzhirsch und Honda-Goldwing-Fahrer Herrant Vortisch, der für alle Fälle -also für das Ausbleiben der Revolution – noch ein Lörracher Kaufhauskettchen als ErbeReserve im Rücken hatte… ..

Herrant Vortisch beginnt sich von der Speerspitze des Proletariats abzuwenden und entscheidet sich rechts hinten gerade für seine spätere Karriere als Bademeister: so ging die Revolution baden!

2011 auf der Wiener krilit, der kritischen Buchmesser des ÖGB, habe ich Werner nach Herrant gefragt, der von Tiger, dem BetonFacharbeiter so ins Gebet genommen wurde. Werner hat nur abgewunken… nach 40 Jahren haben wir uns in Wien zum ersten mal wieder getroffen. Wir wollten zusammen unsere 65sten Geburtstage in Wien feiern …

Leider klappt es jetzt auch nicht mehr, dass wir beiden Alt68er zusammen 68 werden, schrieb ich vor 6 Jahren.

Heute, am Jahrestag der Selbstbefreiung Buchenwalds, wo ARD & ZDF den erfolgreichen Aufstand der Häftlinge unter der Führung der KPDler im Lager, besonders Emil Carlebachs gezielt verschweigen und die Befreiung durch die US-Army hier genauso erfinden wie bei der Selbstbefreiung des KZ Dachau ebenfalls unter kommunistischer Führung … heute muss ich besonders an Werner denken. Er würde jetzt wie ich heute 72.

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert