CORONA-Brief 12: viel mehr als eine der 7 Plagen im “gelobten Land”

https://www.jrbernstein.de/blog-1/2020/3/27/carte-blanche-fr-netanjahu

in Gedanken an zwei meiner Wegbegleiter, an den einen (hoffentlich) noch lebenden, den anderen posthum: Basil & Eduard Bernstein -zumindest mental verwandt mit dem Autoren des folgenden Artikels

und ohne viel Abschweifungen auch in Gedanken an meine Studienkollegin Regine Reichwein und meine väterlichen Freunde & beinahe Doktorväter Ernest Jouhy-Jablonski und Heinz-Joachim Heydorn

habe ich bei Reiner Bernstein raubkopiert die

“carte blanche für Netanjahu”

von Reiner Bernstein

Die Überraschung ist ausgeblieben. Was viele Beobachter seit dem vergangenen Jahr befürchtet haben, nimmt Gestalt an: Benjamin Netanjahu ist alle Sorgen los, sich wegen dreier Korruptionsverfahren vor Gericht zu verantworten und mit einer Gefängnisstrafe rechnen zu müssen.

Zu dieser „carte blanche“ hat ihm „Benny“ Gantz verholfen. Er hat nicht nur seine „Blau-Weiß“-Partei endgültig gesprengt, sie und sich selbst dem öffentlichen Gespött preisgegeben und Warnungen in den Wind geschlagen, der Arglist und der Tücke Netanjahus zu erliegen. Nein, er hat dafür gesorgt, dass die Rechtsstaatlichkeit eine weitere Niederlage hinnehmen muss. Die Mahnung verhallt, das Parlament in keinen „Fanclub des Kabinetts“ zu verwandeln. Denn von einer eindrucksvollen parlamentarischen Opposition kann zumindest vorerst keine Rede sein.

Gantz‘ Behauptung, das Land brauche endlich eine handlungsfähige Regierung, stellt seine Entscheidung auf den Kopf: Er hat es satt, landauf landab als Repräsentant eines Mitte-links-Bündnisses diffamiert zu werden. Dass er von Netanjahu als Verräter gebrandmarkt und sexueller Vergehen beschuldigt wurde, obwohl er Gespräche mit der arabisch geführten „Vereinigten Liste“ lediglich andeutete, ist zu den Akten gelegt. Gantz ist keine tragische Figur, sein Wahlslogan „Wir müssen vorankommen“ fehlte die strategische Substanz.

Wenn die Knesset Netanjahu erneut zum Regierungschef wählt, steht Gantz für die Übernahme des Außenministeriums bereit. Dabei gibt es keinen Zweifel, dass sich Netanjahu wie bisher alle außenpolitischen Entscheidungen vorbehält. Große politische Differenzen zwischen ihm und Gantz gehören ins Reich der Illusionen. Indem diesem der brutale Machtinstinkt fehlt und seine Überzeugungen dem politischen Wettkampf kein Eigengewicht verleihen, bestätigt er jene Hypothese, dass sein Wettstreit mit „Bibi” lediglich persönlichen Abneigungen entsprang. Gantz hat überdies Reuven Rivlin der Lächerlichkeit preisgegeben, nachdem ihn dieser am 24. März mit der Kabinettsbildung beauftragte. Doch vielleicht interessiert das niemanden in einer Zeit, in der es parteipolitisch eh drunter und drüber geht.

Weil Rivlin im kommenden Jahr nicht wieder kandidiert, wird Netanjahu als Staatspräsident einrücken. Hatte das Parlament erfolglos einen Gesetzentwurf auf den Weg bringen wollen, einem Beschuldigten das Recht zu entziehen, sich zur Wahl als Ministerpräsident zu stellen, kann er nunmehr 2021 bruchlos in das neue Amt überwechseln. Damit ist jedem Gerichtsverfahren die Basis entzogen. Netanjahus Sieg ist vollständig.

In seiner Ansprache hat Gantz seine Bewerbung als vorläufiger Sprecher der Knesset damit begründet, heute sei nichts normal. Die Warnung seines bisherigen Mitstreiters Yair Lapid, den Corona-Virus für kriminelle Machenschaften zu missbrauchen, verpufft. Dass die palästinensische Bevölkerung in der Westbank von Corona befallen ist, beschäftigt sowieso niemanden. Dazu passt, dass die israelische „Zivilverwaltung“ unter militärischer Begleitung am 24. März in einem palästinensischen Dorf im nördlichen Jordantal Wassertanks, Planen für acht Zelte, einen Stromgenerator und zwei Feldlazarette niedergerissen hat.

Dazu mein Buch „Wie alle Völker…?“ Israel und Palästina als Problem der internationalen Diplomatie“ (Darmstadt 2019/20).

Israeli Forces Demolish Emergency Coronavirus Clinic for Palestinians

28.3.2020 Israelische Streitkräfte sind am Donnerstag in ein palästinensisches Dorf im nördlichen Jordantal eingedrungen, um Material zu beschlagnahmen, das für den Bau einer Klinik zur Behandlung des neuartigen Coronavirus-Ausbruchs bestimmt war.

Laut dem israelischen Menschenrechtsbeobachter Btselem kamen am Donnerstagmorgen Beamte der israelischen Zivilverwaltung mit einer Militäreskorte, einem Bulldozer und zwei mit Kränen ausgerüsteten Lastwagen in das Dorf Khirbet Ibziq, um die Gemeindeklinik und Notunterkünfte abzureißen.
Die Gruppe berichtete, dass israelische Beamte Stangen und Planen beschlagnahmten, die zur Bildung von acht Zelten bestimmt waren, zwei für eine Feldklinik, zwei für eine Moschee und vier für Notunterkünfte für die aus ihren Häusern evakuierten Menschen.

Ein Stromgenerator sowie Vorräte an Sand, Zement und Schlackenblöcken, die für den Boden der Zelte verwendet werden sollten, wurden ebenfalls beschlagnahmt.

Btselem sagte, dass die Dorfbewohner eine Erste-Hilfe-Gemeinschaftsinitiative zur Bewältigung der Covid-19-Krise aufbauen, die große Teile der südlichen Westbank lahmgelegt hat. Bisher gibt es 91 bestätigte Fälle in den palästinensischen Gebieten, wobei am Mittwoch ein Todesfall gemeldet wurde.

Das Jordantal erstreckt sich über eine Fläche von etwa 1,6 Millionen Dunams (1.600 km2) und macht etwa 30 Prozent des gesamten besetzten Westjordanlandes aus. Laut einem früheren Bericht der Regierung umfasst das Tal etwa 280.000 Dunams Ackerland, von denen 50.000 noch von Palästinensern und 27.000 von illegalen jüdischen Siedlern genutzt werden.

Der Großteil des Jordantals steht unter vollständiger israelischer Militärkontrolle, obwohl es sich innerhalb des Westjordanlandes befindet. Inzwischen sind mindestens 44 Prozent des gesamten Landes im Jordantal von den israelischen Streitkräften für militärische Zwecke und Trainingsübungen wieder angeeignet worden.

(Palästina-Chronik, Al-Arabi Al-Jadeed, Soziale Medien)

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

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